Kritik zu Die Eleganz der Madame Michel

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Konferenz der Exzentriker: Ein todessüchtiges Mädchen, eine sich als Concierge einigelnde Intellektuelle und ein lebenskluger Japaner treffen in Mona Achaches Romanverfilmung nach Muriel Barbery aufeinander

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Die da oben und die da unten sind getrennte Welten. Das ist nichts Neues, schon gar nicht in einem herrschaftlichen Pariser Stadthaus, wo man sich noch eine Concierge leisten kann. Da macht auch die Familie des sozialistischen Abgeordneten und Exministers Paul Josse keine Ausnahme. Nur seine jüngste Tochter Paloma (Garance Le Guillermic), zwölfeinhalb und hochbegabt, setzt sich über den Klassendünkel hinweg und schnüffelt mit ihrer Videokamera in den entlegensten Winkeln herum. So kommt sie auch bald den Geheimnissen ihrer Concierge auf die Spur. Madame Michel (Josiane Balasko), Mitte 50, hat sich schon lange eingeigelt, bedient mit Fleiß alle Klischees eines mürrischen Hausdrachens und sitzt am liebsten mit Kater Leo, einer Tafel schwarzer Schokolade und einem Buch am Küchentisch. Dass Leo nach Madames Lieblingsautor Tolstoi getauft ist, ahnt man erst, wenn die Tür zum Hinterzimmer aufgeht und eine riesige Bibliothek freigibt.

Der Erfolgsroman von Muriel Barbery (»L’Élégance du hérisson«) fährt schon auf der ersten Seite schwere philosophische Geschütze auf. Auf die »Marx« titulierte Einleitung und Madame Michels Einlassungen zur elften Feuerbach-These folgen – nicht weniger geistreich – die inneren Monologe derselben sowie das doppelte Tagebuch Palomas, eins für den Körper, eins für den Geist. Für den Film lag gerade darin die Herausforderung. Er musste eine Erzählstruktur finden, mit der die beiden Stimmen des Romans unter einen neuen Hut gebracht werden. Deshalb schreibt die kleine Paloma ihre Ergüsse nicht mehr auf, sondern filmt und redet wie ein Wasserfall, zeichnet dazu noch einen Kalender an die Wand, um die Tage bis zu ihrem 13. Geburtstag (an dem sie sich umbringen will) zu dokumentieren. Dritter im Bunde wird der neue japanische Mieter Kakuro Ozu (Togo Igawa), der Madame Michels innere Werte im Nu erfasst und ihre nähere Bekanntschaft sucht, während er mit Paloma auf Japanisch (ihre zweite Fremdsprache) parliert.

Drei Exzentriker treffen hier aufeinander – das todessüchtige Mädchen, der Vorzeigejapaner und die einsame Intellektuelle, die auf einer großen gemeinsamen emotionalen und intellektuellen Welle schwimmen. Es ist wie im Märchen. Alle Klassengegensätze sind überwunden, und mit der Figur der Concierge wird eine »zivilisierte Wilde« gefeiert, deren Vorbild natürlich bei Rousseau zu suchen ist. Der für einen Bestseller ungewohnt sperrige Roman ist in dem glatten und zur Komödie umdefinierten geradlinigen Film kaum wiederzuerkennen. Zwar folgt er brav seiner Vorlage, lässt aber jenen Esprit vermissen, der gerade das Lesevergnügen ausmacht. »Wir sind alle Igel!«, behauptet Debütregisseurin Mona Achache, die sich schon früh die Rechte sicherte und mit Patrick Blossier einen erfahrenen Kameramann (ihren Lebensgefährten) zur Seite hatte. Vergnügen verbreitet allenfalls die quirlige und auch nervende Garance Le Guillermic. Doch der Weltschmerz eines begabten Kindes trägt nicht über die Einfallslosigkeit einer Regie hinweg, die – als Highlight – einen Goldfisch zum Verschwinden bringt. Das ist einfach zu wenig.

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