Kritik zu Chaos Walking

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Nach zehnjähriger turbulenter Entstehungszeit kommt nun die Adaption von Patrick Ness Young-Adult-Dystopie heraus. Doug Liman gewinnt ihr ­bemerkenswerte Aspekte ab

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Von einem Science-Fiction-Film erwartet man üblicherweise, dass er bildmächtig ist, mit zukunftstrunkenen Schauwerten prunkt; gleichviel, ob sie nun düster oder zuversichtlich ausfallen. Dieser jedoch ist wortreich.

Bis zum Jahr 2257, in dem »Chaos Walking« spielt, ist es der Menschheit gelungen, einen 64 Reisejahre entfernten Planeten zu erreichen, den sie »New World« getauft und spärlich kolonisiert hat. Diese neue Welt mutet, abgesehen von ihren furchterregenden Ureinwohnern, den »Spackles«, sowie dem Umstand, dass nur Tageslicht herrscht, wie ein Zwilling der Erde an. Spektakulär ist allein, was ihre Atmosphäre mit den Kolonisten anstellt: Jeder ihrer Gedanken ist zu hören.

Dieses Phänomen, »Noise« genannt, entscheidet über Wohl und Wehe des Films. Wird das Publikum sich an diese enorm unruhige Klanglandschaft gewöhnen? Es hilft zunächst wenig, dass die Entblößung des Inneren auch einen visuellen Aspekt hat, sich als sprühende Aura manifestiert. Hoffnungsvoller stimmt, dass Regisseur Doug Liman zuvor mit »Edge of Tomorrow« ein Meisterstück abgewendeter Monotonie gelang, was freilich vor allem einem brillanten Drehbuch zu verdanken war. 

»Chaos Walking« hingegen handelt von einer klassischen Heldenreise. Der junge Todd (Tom Holland) ist in einer Siedlung aufgewachsen, die von Bürgermeister Prentiss (Mads Mikkelsen spielt ihn als finster argwöhnischen Demagogen) regiert wird, der seine Gedanken besser als jeder andere verbergen kann. Es ist eine raue, exklusiv männliche Gemeinschaft. Als die Astronautin Viola (Daisy Ridley), eine Vorbotin der zweiten Besiedelung, über dem väterlichen Hof abstürzt, muss Todd sie vor dem xenophoben Prentiss und seinen Schergen retten. Gemeinsam fliehen sie zur nächsten Siedlung, um die Besatzung des Raumschiffs vor einem Hinterhalt zu warnen. Frauen sind gegen das »Noise«-Phänomen übrigens immun, was zu romantischen Komplikationen und am Ende zu einer niederschmetternden Enthüllung führt.

Liman inszeniert dies verblüffend unaufwendig, fast intim. Diese epische Zurückhaltung wird dem Budget, diversen Drehbuchänderungen und Schnitten geschuldet sein. Sein erzählerisches Potenzial schöpft »Chaos Walking« nicht aus, hat aber den Vorzug einer gewissen Konzentration. Es kommt beispielsweise nur einmal zu einer Begegnung mit den feindseligen Spackles, die dann ziemlich unerwartet ausgeht. Die Hölle sind in dieser antikolonialistischen Allegorie nicht die anderen. Das Bild der Zukunftsgesellschaft wirft viele Fragen auf, an deren Beantwortung dem Film nicht wirklich gelegen ist. Ein Thema verfolgt er allerdings mit bemerkenswerter Beharrlichkeit: die toxische Männlichkeit. In der zweiten Siedlung stößt das sich keusch annähernde Gespann auf einen gedeihlichen Gegenentwurf. So wird die Flucht mit Daisy, die ihm in fast jeder Hinsicht einen Schritt voraus ist, für Todd zu einer Reise in die Verletzbarkeit – und den Zweifel.

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