Kritik zu Bis zum Horizont, dann links!

© Neue Visionen

2012
Original-Titel: 
Bis zum Horizont, dann links!
Filmstart in Deutschland: 
12.07.2012
L: 
93 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Der demografische Wandel macht auch vor dem Kino nicht halt. Nach amerikanischen und französischen Seniorenkomödien nun eine deutsche, die beim Filmkunstfest in Schwerin den Publikumspreis gewann

Bewertung: 3
Leserbewertung
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Eigentlich haben Altenheime ja ganz prosaische Namen, sie heißen nach Seen, Vierteln oder manchmal auch nach Heiligen. Wenn in diesem Film die Seniorenresidenz den poetischen Namen »Abendstern« trägt, dann ist das natürlich Programm und suggeriert eine Aura der Kontemplation – und des alltäglichen Einerleis. In diesen Altersruhesitz wird Annegret (Angelica Domröse) von ihrem Sohn abgeschoben. Es gefällt ihr überhaupt nicht in dem Heim. Und vielleicht brauchen ja ältere Menschen manchmal etwas anderes als den ewigen Gleichklang – vor allem wenn sie sich noch nicht so alt fühlen wie die aparte Annegret, die dem Leben mit einem gewissen Grundzynismus gegenübersteht. Den legt auch der immer korrekt gekleidete Herr Tiedgen (Otto Sander) an den Tag, dem ein neuer Zimmergenosse namens Stronz (Ralf Wolter) zwangsweise beigestellt wird. Und der schnarcht auch noch. Die Sequenz, in der sich Tiedgen und Annegret nachts auf dem Flur begegnen, gehört zu den schönsten des Films: weil sie ohne große Worte auskommt, ein stummes Einverständnis.

Ansonsten verheißt das Altenheim Plätzchenbacken und Lesenachmittage – zu den Highlights gehört schon die Bewegungstherapie mit Schwester Amelie (Anna Maria Mühe). Bei einem Rundflug mit einer historischen Ju 52 kapert Tiedgen kurzerhand die Maschine, mit einer Pistole, die er Amelies Polizistenlover geklaut hat. »Ich will ans Meer«, verkündet er der Seniorentruppe im Flugzeug, und die beiden Piloten (Tilo Prückner und Robert Stadlober) müssen den Kurs Richtung Mittelmeer ändern. Die Entführung, die am Anfang noch auf die Skepsis der Gruppe stieß, wird immer mehr zu einem gemeinsamen Unternehmen, in dessen Verlauf die älteren Herrschaften sich sogar als Geiseln internationaler Terroristen inszenieren.

Es ist seltsam, dass deutsche Komödien über Senioren meist als Parabeln daherkommen. Das war schon so bei einem der Meisterstücke des Genres, Lina Braake, und irgendwie macht sich im gleichnishaften Erzählen auch eine gewisse Furcht vor der konkreten Wirklichkeit breit. Bernd Böhlich nun hat seinen Film vom großen Aus- und Aufbruch als Feelgoodmovie angelegt und macht auch vor dem berüchtigten Witz mit den vertauschten Gebissen nicht halt. Understatement ist nicht die Grundlage des Humors in diesem Film, der ein einzigartiges Ensemble gereifter Schauspielerinnen und Schauspieler versammelt.

Am Ende muss die alte Ju auf einer griechischen Insel notlanden, so dass sich quasi zwei Verlierergruppen zusammenfinden, die der Alterspyramide und die der europäischen Wirtschaft. Spätestens dann hat man den Eindruck, dass dieser Film nicht so recht weiß, wohin er will, der Reise jedenfalls hätte man etwas mehr Drive gewünscht. Und am Ende wirkt Bis zum Horizont, dann links! so, als wolle er einen Spruch der Siebziger illustrieren: Du hast keine Chance, aber nutze sie. Damals waren die Figuren des Films ja in ihren besten Jahren.

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