Kritik zu Alle wollen geliebt werden

© Camino Filmverleih

Ein Tag im Leben von Psychotherapeutin Ina, die versucht, es allen recht zu ­machen: Katharina Wolls Film lebt von seinem Schauspielerinnenensemble

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Katharina Wolls Film »Alle wollen geliebt werden« lebt vom Ensemble. Allen voran von Anne Ratte-Polle, die die Psychotherapeutin Ina im Hamsterrad gibt, und von Lea Drinda als deren schwerst pubertierende Tochter Elli. Das Mutter-Tochter-Pingpong zwischen den beiden wirkt trotz allem wahrhaftig in diesem Film, der ansonsten den boulevardesk-verspielten Ton einer TV-Abendunterhaltung anschlägt.

Die Regisseurin spitzt ihren Film, zu dem sie das Drehbuch gemeinsam mit Florian Plumeyer verfasst hat, auf einen Tag zu. Einen Tag, an dem wir Ina dabei zusehen, wie sie, innerlich nahe am Nervenzusammenbruch, äußerlich fast immer gefasst, versucht, allen gerecht zu werden. 

Besagter Tochter, die genervt wegen der falsch gefärbten Haare im Schlabberlook durch die Berliner Wohnung poltert und unbedingt mit dem Papa aufs Billie-Eilish-Konzert will; ihrem liebenswürdig manipulativen Lebensgefährten Reto (Urs Jucker), der mit ihr nach Finnland auswandern will, um dort dem langersehnten professoralen Ruf an eine Universität zu folgen, und ihrer Mutter Tamara (Ulrike Willenbacher), einer Bilderbuch-Egozentrikerin, die an dem Tag ihren 70. Geburtstag feiert und Ina wie eine Dienstmagd herumscheucht. Letztere wartet nebenher noch auf wichtige Arztergebnisse.

»Alle wollen geliebt werden« jagt also mit Ina durch diesen einen hektischen, überdrehten Tag, an dem alle Konflikte im- und explodieren müssen und das Fass natürlich irgendwann überlaufen wird. Ina ist, so beschreibt sie sich gleich zu Filmbeginn, eine Frau, die immer das Gefühl hat, schuld an allem zu sein. Ratte-Polle spielt sie als sensible, aber auch toughe und dann wieder verständnisvolle Mutter, vor der sich bald die zwischen-menschlichen und familiären Scherben haushoch türmen. Bei ihrer Karaokeversion von Hot Chocolates »You Sexy Thing« auf Mutters Party knallt ihr schließlich die Sicherung durch. »I believe in miracles«? Von wegen.

Nur braucht eine derartige filmische Verdichtung, wie sie Katharina Woll in ihrem Langfilmdebüt im Sinn hat, mehr: mehr geschliffene, scharfzüngige Dialoge und mehr Mut zu einer konzentrierten filmischen Form. Es wirkt konservativ und pädagogisch, wie hier Leerstellen mit Dialogen und Küchentisch-Psychologie gefüllt werden. Wenn in einem Imbiss, in dem Ina landet, einer ihrer ehemaligen Patienten eine glückliche Reckturnerin im Fernsehen sieht und anmerkt, dass wir eben alles für den kleinen Augenblick Glück zu tun bereit sind – dann kommt der Film im Glückskeks-Universum an.

Der beinahe Echtzeit-Familiencrash ist eine nicht zu unterschätzende filmische Disziplin, die zuletzt Emma Seligman in »Shiva Baby« vielschichtig zur Meisterschaft gebracht hat. Dort kreischten und quietschten zwischendurch Geigenklänge und vertonten zwischenmenschliche Dissonanzen, und auch in »Alle wollen geliebt werden« machen sich nervöse Streicher und Gezupfe auf der Tonspur bemerkbar. Nur leider, und das gilt leider für vieles in diesem Film, ohne Verve und Biss.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich bin fast schockiert, dass es sich hier um einen Abschlussfilm und um ein kleines Fernsehspiel handelt. Der ganze Film mutet wie ein unfassbar platt genudelt und herunter gedimmt und gedummtes Bewerbungsstück für die ARD und ZDF Primetime an (an sich schon traurig, dass ich sowas Einfallsloses mit diesen Programmschemata verbinde aber ok.). Das macht mich irgendwie unfassbar traurig. Da ist wirklich überhaupt nichts Interessantes, Spannendes im Ansatz oder der grundsätzlichen Dramaturgie oder Bildsprache erkennbar. Es wirkt als ob den Filmemachenden alles egal wäre, ehrlich gesagt. In jeder dritten Szene musste ich gefühlt an Serien oder Filme denken, die das genau gleiche Thema tausendmal besser und mit viel mehr Komplexität aber auch Unterhaltung lösen.
Ich mag keine Verrisse und finde sie unfair. Aber hier vermute ich fast sowas wie Kalkül und das macht mich ein bisschen wütend. Denken Filmschulabsolvent*innen, so ein Film, der wirklich NULL wagt und auch überhaupt nichts aussagt oder erzählen will, wäre die perfekte Eintrittskarte ins Fernseh- und Filmbusiness? Ist das wirklich so??? Dann sollten wir einfach bots Filme machen lassen, denn da käme wahrscheinlich etwas Ähnliches heraus. Das macht mich depressiv. Dieser Film hat mich sogar dazu gebracht Angela Schanelec in einem anderen Licht zu sehen. Ich nehme lieber zehn Angela Schanelec Filme, die wenigstens so ne Art Abneigung gegenüber dem Medium an sich thematisieren und in das Filmemachen mit einbauen, als so etwas hier, wo die Abneigung ohne selbst zum Thema zu werden, durch jede Pore des Films trieft. Einfach nur Vernachlässigung. Dadurch, dass die Filmemacher es komplett unterlassen, irgendetwas filmisch oder erzählerisch zu wollen und in irgendeine emotionale Tiefe oder Komplexität vorzudringen. Wie gesagt. Es wirkt als ob ihnen alles egal wäre.

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