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Ein Familienessen am Abend der sogenannten Machtergreifung: Florian Frerichs' Film will die Diskussionen an einem historischen Einschnittsdatum rekonstruieren
»Und wenn ich mir die politische Großwetterlage so ansehe, kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.« Den Worten des von Charles Brauer gespielten deutsch-jüdischen Malers Max Liebermann im Prolog von Florian Frerichs' »Das letzte Mahl« kann man nur beipflichten angesichts des weltweiten Rechtsrucks. Nein, an der Botschaft dieses Langfilmdebüts ist nichts auszusetzen. Die ist bei allem Kalkül derzeit wichtiger denn je und kann gar nicht oft genug artikuliert werden.
Insgesamt ist »Das letzte Mahl« dennoch ein Beispiel aus der Kategorie »Gut gemeint, aber nicht gut umgesetzt«. Da haben auch die Freiheiten der komplett privaten Finanzierung und der institutionsunabhängigen Realisierung des Films nicht geholfen. Autodidakt Frerichs, der das Drehbuch gemeinsam mit seinem ehemaligen Geschichtslehrer und Kompagnon Stephan Warnatsch geschrieben hat, rackert sich an dem Stoff ab, bekommt ihn aber nicht richtig in den Griff. Darüber hilft auch das mit teils originalem Interieur in Szene gesetzte historische Setting nicht hinweg.
Zu Beginn sitzen besagter Maler Liebermann und Familienvater Aaron Glickstein (Bruno Eyron) rauchend in ihrem Herrenclub und führen in Erklärbärmanier in das Thema ein. Sie sprechen über die politische Lage an diesem 30. Januar 1933, einem der schwärzesten Tage für die deutsche Geschichte. Schon hier schiebt sich mit zarten Klaviertönen der mal getragene, mal schwungvolle Score dazwischen, der fortan fast den gesamten Film als Stimmungsteppich unterfüttern wird.
Abends dann, Adolf Hitler ist neuer Reichskanzler, trifft sich die Familie Glickstein zum Essen, zu eben jenem letzten Ma(h)l – ein wenig subtiler biblischer Wink im Titel inklusive. Zwei Aufreger dominieren die Tafelgespräche zwischen den zehn Personen: Die 19-jährige Tochter Leah (Mira Elisa Goeres) will, ohne dass Aaron eingeweiht ist, nach Palästina gehen und der 18-jährige Sohn Michael (Patrick Mölleken) am abendlichen Fackelzug der Nazis teilnehmen.
Ohne erzählerische Dichte und Dialograffinesse fehlt dem Kammerspiel die nötige filmische Zuspitzung, von einer tiefer gehenden Reflexion ganz zu schweigen. Vielmehr wird die künstlich überhöhte Situation noch verstärkt, etwa durch die Figuren, die allesamt wie küchenpsychologische Schablonen daherkommen: der überarbeitete Vater, der den Bezug zu seiner Familie, ja zur Welt überhaupt verloren hat; der Sohn als gehirngewaschener Parade-Jungnazi; Aarons Schwester Sarah (Sandra von Ruffin) als überidealistische Kommunistin; Ärzte-Drummer Bela B. Felsenheimer als phrasenschwingender Rabbi und, und, und.
»Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert«, zitiert Sarah einmal Aldous Huxley. Man kann »Das letzte Mahl« dafür loben, dass er vieles auf den Tisch bringt: politische Fehleinschätzungen, Verblendung, (falschen) Idealismus, Rassismus etc. Und auch dafür, dass die Nazis in den Archivaufnahmen vom Fackelzug am Ende wie die Deppen wirken. Für viel mehr leider nicht.