Panorama: »One of These Days«

»One of These Days« (2020). © Michael Kotschi/Flare Film

An mir ist der Regisseur Bastian Günther bisher leider größtenteils vorbeigegangen, seine Kinofilme »Autopiloten«, »Houston«, und »California City« habe ich allesamt nicht gesehen. Bis jetzt, die werden schnellstens nachgeholt! Lediglich seinen Meta-»Tatort« »Wer bin ich?«, in dem Ulrich Tukur seine Rolle als Kommissar Murot verlässt und selbst zum Ermittler wird, kenne ich. Und der war überzeugend gut, selbst für jemanden, der der Krimireihe nicht wirklich zugeneigt ist. 

»One of These Days« heißt der neue Panorama-Beitrag des in den Staaten drehenden deutschen Regisseurs. Was mit Straßeneinstellungen im GoogleMaps-Suchmodus beginnt, entpuppt sich als bitterböse Reflektion über Einsamkeit, Wettbewerb und Materialismus. Oder, anders: Über die Auswüchse des Kapitalismus.

Einen Großteil des Film verbringen wird auf einem Parkplatz: Da stehen sie, die »glücklichen« Ausgelosten, und streicheln den Pickup-Truck, das Objekt der Begierde. Beim »Hands On«-Wettbewerb gilt: Wer am längsten durchhält mit seiner Hand auf dem monströsen Ungetüm, darf ihn sein eigen nennen, die kurzen Pausen sind streng reglementiert. Günther lehnt seinen Film an reale Begebenheiten an. Dass es Wettbewerbe dieser Art gibt, erfüllt die Klischees.

Überhaupt spielt der Regisseur selbstbewusst mit den Klischees. Da steht eine bibeltreue Christin neben zwei Beavis-und-Butt-Head-Typen am Truck. Auch die Hauptfiguren passen, oberflächlich betrachtet, in das Muster: Joan (Carrie Preston), PR-Frau des Autohauses, die die Teilnehmer motiviert und die eigene Einsamkeit mit breitem Lächeln überspielt. Und Wettbewerbsteilnehmer Kyle (Joe Cole), Marke lieber Kerl, der den Wagen für die kleine Familie dringend braucht. Sie sind beide auf ihre Art Getriebene, wie der Film mit seinem alles andere als oberflächlichen Blick zeigen wird. Und beide sind sie tragische Figuren. 

So entwickelt sich das Happening unter der gleißenden texanischen Sonne inmitten der amerikanischen Provinz zum Terror. Unnachgiebig läuft auf der großen Uhr die Zeit weiter, 50 Stunden, 60 Stunden. Jeder Minute kratzt an der menschlichen Fassade der Teilnehmer. Aus der großen Party mit Fans wird eine Horrorshow. Günther zeigt den Psychoterror des Wettbewerbs, ohne seinen Figuren die Würde zu nehmen. 

Das eigentliche Ende ist bitter. Darauf folgt eine lange Coda, die es nicht gebraucht hätte. Aber sei es drum. »One of These Days« ist Gesellschaftsporträt, Satire, Psycho- und Soziogramm. Zutiefst menschliches und zugleich erschreckendes Kino. Ein Highlight der Berlinale bisher.

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