Eine dokumentarische Serie zur »Colonia Dignidad«

Paul Schäfer (Mitte) mit einer Gruppe Jungen ca. 1968 in Chile | Bild: WDR/LOOKSfilm

Langsam löst sich schon wieder alles auf, viele Abreisen, auf der Straße vor dem CinemaxX übernehmen abhängende Schulklasssen das Feld der Kinogänger und Filmjournalisten. Ich hole mir zwar noch fleißig Tickets am Counter im Hyatt, schaffe es aber irgendwie nicht mehr in die Vorstellungen. Am Mittwoch stattdessen als Berichterstatterin bei der ARD: Abends die üblichen »Top-of-the-Docs«-Goodwill-Show für die dem Haus verbundenen Produzent*innen und Dokumentarist*innen, die von Pinar Atalay mit viel Spontaneität moderiert wurde.

Programmmdirektor Volker Herres offenbarte zum wiederholten Mal, dass ihm die Form des Dokudramas »besonders am Herzen liege«. Intendantin Patricia Schlesinger knüpfte mit dem Hinweis auf die letztes Jahr versendete rabiat-Reportage »Deutschland den Deutschen?« von Gülseren Ölcüm an das Hanauer Attentat und wachsenden Rassimus in Deutschland an und verzichtete ansonsten klugerweise auf allzu ausuferne Werbedarstellungen in eigener Sache. Dass die bei der Veranstaltung vergebene Auszeichnung für ein gepitchtes noch zu realisierende Projekt unter dem Arbeitstitel »Aufschrei der Jugend« an ein Porträt von Fridays-for-Future geht, wurde zwar als Entscheidung für ein »kontroverses Thema« gefeiert, ist aber doch eigentlich genau das Gegenteil.

Spannend dafür das schon am Nachmittag in einem Pressegespräch vorgestellte Projekt einer multi-perspektivischen dokumentarischen Serie zur chilenischen Sektensiedlung »Colonia Dignidad«. Deren autoritärer Leiter Paul Schäfer war nämlich auch ein Medienfreak und hatte (während privates Fotografieren verboten war) dafür gesorgt, dass professionelle Kameramänner Alltag und besondere Anlässe im Leben der Sekte mit der Kamera aufzeichneten und dann chilenische und auch deutsche Medien mit einem Teil der Filme versorgten.

Nach Öffnung der Sekte ging ein von einem dieser Kameramänner geretteter großer Teil des Materials (über 400 Stunden) in sehr schlechtem technischen Zustand an den deutschen Produzenen Gunnar Dedio (LOOKSfilm). Dem gelang es in jahrelanger Arbeit, das Konvolut zu restaurieren und durch Verschlagwortung zugänglich zu machen. Und dann auch, neben einem chilenischen Fernsehsender WDR/SWR und arte von einer Realisierung als Serie zu überzeugen, bei der die dokumentarischen Bilder mit Interviews von Zeitzeugen montiert werden. Regisseurin ist Annette Baumeister, Sendetermin im März. Wichtig ist auch, dass es ohne das Filmprojekt wohl nicht möglich gewesen wäre, die Finanzierung der aufwendigen Jahre dauernden Restaurierung zu stemmen. Und, dass nach der Klärung vieler offener Rechtsfragen das Filmmaterial in ein öffentlich zugängliches Archiv übergehen soll.

Sendetermine: 

Colonia Dignidad – Aus dem Innern einer deutschen Sekte (1) am 16.03.20 um 22:45 Uhr, Das Erste
Colonia Dignidad – Aus der Finsternis (2) am 23.03.20 um 22:45 Uhr, Das Erste

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