Panorama: »What She Said: The Art of Pauline Kael«

»What She Said: The Art of Pauline Kael« (2018). © 29Pictures

Am Büchertisch im Cinemaxx kann man ein »Best of« ihrer Arbeiten erwerben, »The Age of Movies«, ein dicker Band (864 Seiten), quer durch die Jahrzehnte, das wäre mal ein Anfang, um die Texte der 2001 verstorbenen amerikanischen Kritikerin Pauline Kael kennenzulernen. Man könnte aber auch das Heft der (leider nicht mehr existierenden) Filmzeitschrift »Steadicam« hervorkramen, in dem sie einst gewürdigt wurde, auch mit Erstübersetzungen von Texten. Oder gleich das Dutzend jener Sammelbände (mit den meist zweideutigen Titeln) erwerben, in denen ihre Texte versammelt sind. Denn die lesen sich heute noch so anregend wie zur Zeit ihrer Entstehung – man muss mit Kaels Urteilen nicht unbedingt übereinstimmen um an den Texten selber Freude zu haben. 

Kael kam ohne ein Regelsystem aus, schrieb vielmehr als passionierte Kinogängerin, die Filme nicht unbedingt in Pressevorführungen sah. So schrieb sie manchmal auch über die Reaktion des Publikums im Kino um sie herum; für die US-Erstaufführung von Bertoluccis »Der letzte Tango in Paris« beim New York Film Festival kaufte sie sich eine Kinokarte und war so begeistert, dass sie im »New Yorker« eine zweiseitige Kritik veröffentlichte, durch die der Film (zumindest in New York) zum »Must see« wurde. Sie traute sich, Erfolgsfilme wie »The Sound of Music« zu verreißen und formulierte auch Einwände gegen Claude Lanzmans »Shoah«.
Davon können Filmkritiker heute eher nur träumen; dass ihre Texte Einfluss hätten. Bei Kael war das der Fall, sie verteidigte »Bonnie & Clyde« und pries Robert Altman, einige Regisseure haben ihrer Fürsprache nicht wenig zu verdanken. Andererseits neigte sie manchmal wohl durchaus dazu, um der Provokation willen zu provozieren. Es gibt mehrere publizierte Interviews mit ihr und Bücher über sie, interessanterweise ist sie auf den Titelbildern der Neuauflagen ihrer Sammelbände fast immer selber abgebildet, das spricht für eine anhaltende Popularität.

Der Film »What She Said: The Art of Pauline Kael« ist für Kritiker natürlich ein Muss, auch wenn man hinterher erst einmal der guten alten Zeit nachtrauert, in der alles besser war. Leider ist er – darin dem kürzlich in den Kinos gelaufenen »RBG« über eine andere große Frau nicht unähnlich – ziemlich überfrachtet, mit knappen Statements, Filmclips und vorgelesenen Kritiken. Dass die Zitate von ihr meist mit Filmclips unterlegt sind, ist zwar manchmal ganz witzig, erschwert aber die Konzentration beim Zuhören. Weniger wäre (wieder einmal) mehr gewesen. Spannend anzusehen sind aber ihre zahlreichen Auftritte bei Late Night Talkern wie Dick Cavett oder die der Regisseure, die dort über Kaels Verrisse klagen. 

»What She Said: The Art of Pauline Kael«; R: Rob Garver, USA 2019, 95 Min

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