Berlinale-Eröffnung: Auf den Hund gekommen

»Isle of Dogs« (2018). © 20th Century Fox

Manchmal ist es ein Vorwurf, manchmal eine Auszeichnung: Die Berlinale sei das politischste unter den Filmfestivals, heißt es immer wieder. In diesem Jahr zeigte der Eröffnungsabend des 68. Internationalen Filmfestivals von Berlin, wie man dieses Etikett mit Stolz und Humor zugleich tragen kann. Die Roben der Gala-Gäste mögen im Durchschnitt verhaltener ausgefallener sein, es wurde nach dem Vorbild der Golden Globes viel Schwarz getragen. Tatsächlich aber setzte sich der in Berlin sowieso vorherrschende Trend zu »Jeder wie er will« durch. Und Berlinale-Direktor Dieter Kosslick, der immerhin statt eines roten einen schwarzen Schal trug, erklärte auf seine bekannt trockene Art, dass er weder Frauen mit flachen Schuhen noch Männer in High Heels abweisen werde.

Die Reden des Eröffnungsabends von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bis zu Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) setzten die Sexismus-Debatte und #Metoo ins Zentrum, berührten aber auch andere aktuelle Themen wie Flüchtlinge und Populismus. Im Fall, dass es zu ernst wurde, bügelte Anke Engelke in ihrer Rolle als possenreißende Moderatorin wieder glatt: Es sei ganz schön mutig, wie Frauen und Männer hier im Berlinale-Palast zusammensäßen. An anderer Stelle glättete sie politische Spitzen mit der Anmerkung, dass es darauf ankomme, wie man sich verhalte – nicht darauf, welchen Stoff man trage oder über welchen Stoff man gehe.

Nach so viel proklamiertem guten Willen von allen Seiten war es gut, dass sich mit Wes Andersons »Isle of Dogs« die Diskussion endlich der Kernsache der Berlinale zuwendete, den Filmen. Und »Isle of Dogs« stellte sich als Glücksfall und einer der besten Eröffnungsfilme der jüngeren Berlinale-Geschichte heraus. Als erster Animationsfilm in dieser verantwortungsvollen Rolle wurde das neue Werk des texanischen Regie-Sonderlings Anderson nämlich sowohl den politischen wie den ästhetischen Anforderungen des Hier und Her gerecht. »Isle of Dogs« erzählt von Verfolgung und Ausgrenzung, von Populismus und dem Abgleiten ins Totalitäre, vom Zusammenfinden eines versprengten Haufens von Widerständlern und einer erfolgreichen Rebellion, die schließlich wieder mehr Gleichberechtigung herstellt.

Ort der Handlung ist ein fiktives Japan, in dem ein hundehassender Präsident sein Volk so erfolgreich gegen die vormalig »besten Freunde des Menschen« aufwiegelt, dass ein Gesetz zu deren kompletter Deportation auf eine Müllinsel durchgesetzt wird. Als erstes Beispiel lässt der Präsident den geliebten Hund seines Neffen Atari abschieben. Wenige Jahre später aber schnappt sich Atari im Alter von zwölf Jahren ein Flugzeug, um auf dem Müllinsel-Archipel nach seinem verschollenen Hund zu fanden. Dort stößt er auf ein kleines Rudel völlig heruntergekommener Köter, die sich schließlich mehr oder weniger willig seiner Mission anschließen.

Verkürzt erzählt, scheint sich »Isle of Dogs« nur wenig von der üblichen Disney-Pixar-Ware zu unterscheiden. Aber Andersons Eigentümlichkeit darf man nicht unterschätzen. Der Teufel steckt im Detail: in der sehr erfinderischen Art und Weise, mit der er hier japanische Kultur und Sprache integriert, den Vorwurf der »Approbation« durch augenzwinkernde Wertschätzung umgehend. Jedes animierte Detail enthält ein Abirren auf andere Pfade verschiedenster Fankulturen.

Und der Regisseur lässt anders als Disney echte Düsternis und Sarkasmus zu: Als die des Kannibalismus verdächtigten »Aborigines« der Müllinsel stellt sich ein Haufen Hunde heraus, die von Tierversuchen verkrüppelt und gezeichnet sind. Großartig sind auch die mit viel Sinn für Verfremdung eingesetzten Stimmen von Bryan Cranston, Edward Norton, Scarlett Johansson und Jeff Goldblum – samt eines »Cameos« von Yoko Ono.

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