Krisendiplomatie

Seit wann sind Banken auf Sponsoren angewiesen? Sie treten in der Regel doch selbst als solche auf. Andererseits ist die Weltbank kein gewöhnliches Geldinstitut. Die Motive ihres Sponsors hingegen scheinen auf den ersten Blick sehr gewöhnlich: Die „Hollywood Foreign Press Association“ erhofft sich Prestige und Publicity. Für den Auslandspresseverband geht es freilich noch um weit mehr.

Der kleine Club, der die „Golden Globes“ vergibt, muss sich schleunigst rehabilitieren, seit er sich im letzten Jahr heftig in Verruf gebracht hat (siehe Eintrag vom 14. 5. 2021). Die Mitglieder der Non-Profit-Organisation fielen vor allem durch Eigennutz auf. Über die versprochenen Reformen, die in diesem Sommer abgeschlossen sein sollten, erfährt man bisher wenig. Ob die neue Präsidentin Helen Hoehne wirklich für mehr Diversität und überhaupt erst einmal für Ordnung im eigenen Laden sorgt, steht also noch in Frage. Aber wie schwer wiegen solche Lappalien, wenn man statt dessen die Welt retten kann?

„Variety“ berichtete in dieser Woche von der jüngst geschmiedeten Allianz zwischen Weltbank und HFPA. Ihr gemeinsames Ziel ist, mit einer Reihe von Veranstaltungen, so genannten „Global Forums“, den Ausbau von „Edutaintment“-Programmen zu fördern. Das Kofferwort, das leichthin Unterhaltung und Bildung verknüpft, darf einen misstrauisch werden lassen, muss es aber nicht. Es beschwört hehre Absichten. In den Diskussionsrunden sollen die Möglichkeiten erörtert werden, wie diese Programme sich gegen Armut, Geschlechterungerechtigkeit, Klimawandel dienstbar machen lassen. Kurioserweise fehlt der allseits beliebte Weltfrieden. Die Absichtserklärung ist gespickt mit wohlklingenden Vokabeln. Dingfest lässt sich davon wenig machen.

Keine Ahnung, welchen Distinktionsgewinn die Bank sich von gerade diesem Kooperationspartner verspricht. Beim ersten, bereits für den 27. Juli angesetzten Forum wird sich zeigen, ob und welche fachliche Expertise die Mitglieder des Auslandspresseverbandes wohl mitbringen. In der Pressemitteilung tritt er jedenfalls selbstbewusst auf und verweist stolz darauf, dass die Globes seit 80 Jahren ein international bekanntes Markenzeichen sind (ohne kleinlich sein zu wollen: sie werden tatsächlich erst seit 78 Jahren vergeben und brauchten eine ganze Weile, um bekannt zu werden). Diese Berühmtheit sei eine Gewähr dafür, weltweit ein breites Publikum und auch Regierungen zu erreichen. Eine solche Selbstüberschätzung ist noch weit enfernt von jener Seriosität schließen, welche die HFPA aktuell demonstrieren sollte. Sie positioniert sich einfach keck als Botschafterin (des guten Willens und/oder in eigener Sache), die ihre Gemeinnützigkeit ernst nimmt. 

Schon einige Wochen zuvor landete der Verband einen kleinen PR-Coup. Während des Festivals von Cannes teilte die Cinémathèque francaise mit, die HFPA würde die Restaurierung von Abel Gance' „Napoléon“ finanziell unterstützen. Damit reiht der Verband sich in eine illustre Riege von Mäzenen ein, zu denen Netflix und der Produzent Michel Merkt („Vortex“, „Annette“, „Martin Eden“ etc.) gehören. Bei diesem Engagement handelt es sich vor allem um ein finanzielles – das Non-Profit scheint nach wie vor recht tiefe Taschen zu haben. Cinémathèque-Präsident Costa-Gavras begrüßte den neuen Partner auch als einen Türöffner in die USA. Das müsste er angesichts der Boykotte, die zahlreiche Studios sowie Netflix gegen die HFPA verhängt haben, eigentlich besser wissen. In der Pariser Kinemathek scheint man sich durchaus bewusst zu sein, welch heikle Allianz man hier eingegangen ist. Meine Anfragen an befreundete Mitarbeiter des Hauses wurden kurioserweise von der Pressestelle beantwortet. Dabei kam nicht viel mehr heraus, als bereits in der Pressemitteilung stand. Die geschätzte und wackere Elodie Dufour ist ansonsten nicht so kurz angebunden. Nach dem finanziellen Umfang der Unterstützung hatte ich diplomatischerweise erst gar nicht gefragt.

Nun könnte man einerseits feststellen, das Napoleon-Projekt würde bestätigen, dass es in Sachen Restaurierung auch in Frankreich dahin regnet, wo es nass ist. Jedoch finde ich es begrüßenswert, denn man weiß nie, wie viel zusätzliche Filmstunden noch herauskommen, wenn man bei Gance weiter gräbt (siehe die Einträge zu dessen monumentalem „La Roue“ vom 25. und 26. 9. 2019). Und andererseits erfuhr ich auf Nachfrage in Paris doch Unerwartetes über die HFPA. Nein, das aktuelle Mäzenatentum steht durchaus in einer ehrenwerten Tradition: Der Verband tritt schon seit langem als Sponsor von Restaurierungen auf, ist namentlich Partner von Scorseses „Film Foundation“, die er mit einem jährlichen Stipendium unterstützt. Bisher war er so an mehr als 100 Restaurierungen beteiligt, darunter Filmen von Robert Altman, Powell & Pressburger und Stayajit Ray. Bis zu diesem Zeitpunkt trug diese Geschichte der Partnersuche noch den Arbeitstitel „Strohhalme“. Der erscheint mir nun zu sarkastisch. Vielleicht brauche ich ihn später einmal. Aber hoffentlich nicht.

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