Netflix: »House of Guinness«
© Ben Blackall/Netflix
Kaum ein Serienschöpfer hat dieser Tage einen größeren Output als Steven Knight. Für sieben Serien zeichnete der Brite seit 2017 als (Co-)Creator, für neun als Autor verantwortlich. Von modernen Agententhrillern (»The Veil«) bis zu Weltkriegskitsch (»Alles Licht, das wir nicht sehen«) deckte er eine enorme Themen- und Genre-Bandbreite ab. Nur an seinen ganz großen Erfolg »Peaky Blinders« konnte keine dieser Produktionen anknüpfen. Weswegen es wohl kein Wunder ist, dass sich seine neueste Serie »House of Guinness« so sehr an diesem großen Vorbild orientiert wie keine andere.
Wie schon zuletzt in »A Thousand Blows« begibt sich Knight ins 19. Jahrhundert. Das Setting ist dieses Mal allerdings irisch, geht es doch – der Titel deutet es an – um die weltberühmte Brauerei Guinness beziehungsweise die Familie dahinter. Mit dem Tod des Patriarchen, der den ein Jahrhundert zuvor gegründeten Betrieb groß gemacht hat, und der bevorstehenden Testamentsverkündung setzt die (fiktionalisierte, aber an wahren Begebenheiten angelehnte) Handlung 1868 ein.
Während Arthur (Anthony Boyle), der Älteste, am liebsten weiterhin der Familie aus dem Weg gehen würde, hat sein jüngster Bruder Edward (Louis Partridge) bereits große Pläne für das dunkle Bier. Schwester Anne (Emily Fairn) wäre dankbar, als Frau überhaupt ernsthaftes Gehör im familiären Gefüge zu bekommen, während Benjamin (Fionn O'Shea) durch Sucht und Schulden fast alles Vertrauen verspielt hat. Doch ohnehin hat die mit den Engländern kollaborierende Familie noch ganz andere Sorgen, denn nicht nur ihre persönlichen Geheimnisse machen sie angreifbar. Auch das skrupellose Vorgehen ihres Vorarbeiters (James Norton) und die zunehmend vehementere Unabhängigkeitsbewegung rund um die auf unterschiedliche Weise für die Revolution kämpfenden Geschwister Ellen (Niamh McCormack) und Patrick Cochrane (Seamus O'Hara) stellen eine Gefahr dar.
Spätestens wenn »House of Guinness« im Zuge einer geplanten US-Expansion der Brauerei in New York ankommt, fühlt man sich bei dieser auch von Arbeiterrechten und Religionskritik erzählenden Mischung aus Familiensoap und Historiendrama an »The Gilded Age« erinnert. Wobei Knight – in bester »Peaky Blinders«-Manier – das Tempo nicht ganz so gemächlich plätschern lässt, immer wieder Gewaltexzesse einstreut und inflationär das Wörtchen »fuck« fallen lässt.
Kurzweilig ist das durchaus, wenngleich alles ein wenig zu sehr nach opulenter Kulisse aussieht und der anachronistisch-moderne Soundtrack nicht nur dann wie Schnee von gestern wirkt, wenn schon in Folge 1 »Starbusters« von Fontaines D.C. erklingt (gerade noch Titelsong der Serie »MobLand«). Ohnehin verlässt sich Knight zu oft auf Altbewährtes. In der Figurenzeichnung hätte man sich zwischen der geradezu modernen Freiheitskämpferin und einem durchtriebenen unehelichen Cousin (Jack Gleeson), zwischen heimlich ausgelebter Homosexualität und in den Zwängen der Zeit gefangener Weiblichkeit ein bisschen mehr Überraschendes erhofft.
OV-Trailer
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