arte-Mediathek: »Nach dem Prozess«

»Nach dem Prozess« (Serie, 2022). © arte/Subtext Pictures

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Urteilsfindung auf eigene Faust

Die Geschworenen seufzen. Alle halten die Angeklagte Heidi Lang für unschuldig, nur die etwas unscheinbare Vorsitzende Clara Rossi zweifelt. Als der Richter ultimativ ein Urteil verlangt, schließt sich Clara der Mehrheit an. Mit größtem Unbehagen. Standardmomente des Gerichtsgenres, doch mit dem Prozessende beginnt erst die Geschichte.

Die Tat lässt Clara keine Ruhe. Heidi Lang soll ihre Freundin und Chefin Belinda vom Dach gestoßen haben, um einer Entlassung zuvorzukommen. Die Umstände sind unklar. Auch Belindas Ehemann ist verdächtig, ein Freitod nicht ausgeschlossen. Belinda war schwermütig, weil sie kurz zuvor ihr Kind verloren hatte.

Die geschiedene, ein wenig einsame Clara lädt einige der Mitgeschworenen zu einem Essen ein. Ganz »zufällig« in ein Lokal, in dem Heidi Lang zu verkehren pflegt. Wie erhofft kommt es zu einer Begegnung. Heidi, noch immer von der Presse verfolgt und im Bekanntenkreis gemieden, bittet die Clique in ihre Privatwohnung. Claras Misstrauen schwindet, Heidi wird so etwas wie eine Freundin.

Im Zorn auf ihren früheren Ehemann Dom, der wieder liiert ist und Claras Anteil an dem gemeinsam finanzierten Unternehmen nicht auszahlen will, schimpft sie an diesem Abend, am liebsten sähe sie Doms Möbelhaus brennen. Wenig später steht das Geschäft tatsächlich in Flammen – Brandstiftung. Clara wird nun selbst zur Verdächtigen. Doch der Täter hinterließ Blutspuren und kann identifiziert werden. Es handelt sich um das ziemlich gestörte Mitglied einer »Free Heidi«-Gruppe, das Heidi Lang nach deren Freilassung nachgestellt hatte.

Der Stalker ist flüchtig. Die ehemaligen Geschworenen fürchten sich, denn der Fanatiker kennt augenscheinlich Interna aus der Jury. Aus den Geschworenen werden Verschworene. Sie ermitteln, observieren, gewähren sich gegenseitig Unterschlupf. Das Privatleben bleibt nicht unberührt. Clara und Dom haben Angst um ihre Kinder, die Lebensgefährtin der patenten Metzgerin Margie reagiert mit Unverständnis.

Für alle aber bedeuten die Recherchen auch eine Ablenkung von ihren privaten Sorgen. Daniel ist seit einem Jahr Witwer und hat den Verlust nicht verwunden. Er ist von seiner Anstellung als Lehrer freigestellt. Der Leichtfuß Ollie, ein Immobilienmakler, wurde während seiner Geschworenentätigkeit von einer Konkurrentin ausgebootet.

Der Kriminalfall und die persönlichen Verhältnisse werden in der australischen Produktion »Nach dem Prozess« geschickt miteinander verwoben. Die Handlung passt in kein bekanntes Muster, das Autorenduo meidet Klischees oder unterläuft sie.

Ein kurzweiliger Zeitvertreib, getrübt nur durch die widersprüchliche Schauspielerführung. Wenn Michelle Lim Davidson in der Rolle der Clara verschreckt die Augen aufreißt oder zerknirscht zu Boden blickt, hat das etwas betont Theatralisches, das sich beispielsweise mit der Subtilität reibt, mit der Sullivan Stapleton als Witwer Daniel ernsten Sujets wie Trauer und Depression ein glaubwürdiges Gesicht verleiht.

OV-Trailer

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