Retrospektive: Basil Dearden

Basil Dearden mit Dirk Bogarde bei Dreharbeiten zu »Victim« (1961). Foto: Michael Relph

Basil Dearden mit Dirk Bogarde bei Dreharbeiten zu »Victim« (1961). Foto: Michael Relph

Sozialkritik und Genre

Umfasssende Werkschauen eines Regisseurs finden heute eher auf Festivals als in kommunalen Kinos statt. Umso erfreulicher ist die Retrospektive, die das Hamburger »Metropolis« in den letzten Monaten dem britischen ­Regisseur Basil Dearden widmete. Mit 36 Filmen konnte drei Viertel seines Gesamtwerks gezeigt werden.

Basil Dearden (1911–1971) ist nicht gerade ein geläufiger Name; in den meisten Regisseurslexika, speziell deutschen, kommt er nicht vor, andere machen aus ihrer Geringschätzung keinen Hehl, David Thomson etwa nennt sein Kino »bürokratisch«, weil es »offensichtliche Bedeutungen unterstreiche und filmische Sensibilität vermissen lasse« – ein später Ausläufer der Autorentheorie, mit deren Rüstzeug schon 1961 die jungen Kritiker der britischen Zeitschrift »Movie« das britische Kino verdammten. Aber es geht auch anders: Charles Barr, Autor des Standardwerks »Ealing Studios« (1977), spricht 2015 auf der Neuveröffentlichung der DVD von Deardens »The Captive Heart« von dessen »paradoxical pleasures«. 

Diese »paradoxen Vergnügen« meinen den Kontrast, der den Film prägt: zwischen der dokumentarischen Nüchternheit, mit der die Situation der Kriegsjahre 1942 bis 1945 erfasst wird (einerseits der britischen Kriegsgefangenen in einem deutschen Lager, andererseits ihrer Angehörigen in der Heimat), und den melodramatischen Erzählmustern, die den Film in ein mehrfaches Happy End münden lassen.

»The Captive Heart« war ein Film aus den Ealing Studios, international heutzutage vor allem bekannt für bissige Nachkriegskomödien wie »Adel verpflichtet« oder »Ladykillers«, in England aber als Produktionsstätte von Filmen, die, zumal in Kriegszeiten, britische Eigenheiten beschworen, das Loblied der Gemeinschaft sangen. Dearden war von 1937 bis zur Auflösung des Studios 1959 dessen Mitarbeiter und inszenierte hier 21 Filme, 17 weitere folgten bis 1970. 

Deardens stärkste Filme sind Dramen, die sich durch ein Gespür für Locations und Atmosphäre auszeichnen. »All Night Long« verbindet die entspannte Session von Jazzmusikern (darunter Legenden wie ­Dave Brubeck und Charles Mingus) in einem Raum in einer Nacht mit einer »Othello« entlehnten Intrige. Das Erzählmuster des Kriminalfilms nutzt Dearden, um die Widersprüche der britischen Nachkriegsgesellschaft aufzuzeigen, von psychopathischen jungen Kriminellen, die in den Wohnblöcken vaterlos aufwachsen (Dirk Bogarde als Polizistenmörder in »The Blue Lamp«, David McCallum als Brandstifter, der am Ende eine Schulklasse kleiner Kinder als Geiseln nimmt, in »Violent Playground«), über den Rassismus, dem sich Farbige in »Pool of London« und »Sapphire« ausgesetzt sehen, bis hin zur gesetzlich kriminalisierten Homosexualität, die in »Victim« die Tür für Erpressung öffnet. Das ist nicht »gut gemeint«, sondern erweist sich immer wieder als engagiertes Plädoyer.

Zur Retrospektive hat die Initiatorin und Organisatorin Manja Malz eine Publikation herausgegeben (79 S., deutsch/englisch), in der die gezeigten Filme von 13 KritikerInnnen gewürdigt werden. Der »Filmclub 813« in Köln zeigt noch bis Juni eine Auswahl der Filme Deardens. Im Juli laufen Teile der Retro im Kino des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums Frankfurt. 

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