MagentaTV: »The Responder«

»The Responder« (Serie, 2022). © Rekha Garton/Dancing Ledge Productions

© Rekha Garton/Dancing Ledge Productions

So groß die Vielfalt britischer Krimiserien seit Jahren ist, so ähnlich sind sich oft die Ermittler*innen, denen wir bei der Arbeit zusehen. Sicher, manche arbeiten beim Geheimdienst statt bei der Polizei, auch beim Militär oder Personenschutz sind einige tätig. Doch fast immer haben sie hohe Dienstgrade erreicht und lösen Mord- und Entführungsfälle, decken Verschwörungen auf, kämpfen gegen den Terror oder ermitteln in internen Angelegenheiten. Kneipenprügeleien, Ruhestörungen im Wohnblock oder ­Ladendiebstähle – das Aufgabengebiet von gewöhnlichen Streifenpolizist*innen also – scheinen dagegen eher selten serien­tauglich.

Genau damit aber hat nun Chris Carson (Martin Freeman) zu tun, der nachts in seinem Polizeiwagen durch die Straßen Liverpools fährt und dorthin fährt, wo eben spontan ein Ordnungshüter gebraucht wird. Früher war auch er mal Inspektor, doch die Degradierung ist nicht das einzige, was ihm an die Substanz geht. Seine Mutter ist unheilbar krank, die Ehe steht längst nicht mehr auf festen Füßen, und Schlaf findet Chris so wenig wie schlecht. Die Polizeitherapeutin, die selbst so überlastet ist, dass sie sich nicht immer merken kann, wer vor ihr sitzt, ist keine allzu große Hilfe, und so gelingt es ihm zusehends weniger, dem Frust, der Wut und der immer wieder in Form von Tränen aus ihm herausbrechenden Verzweiflung Herr zu werden. 

Dass Chris sich darüber hinaus vor einiger Zeit allzu leichtfertig auf einen Deal mit seinem zum Drogenhändler gewordenen Jugendkumpel (Ian Hart) eingelassen hat, macht die Situation nicht einfacher. Denn als dem wiederum von einer süchtigen Kleinkriminellen (Emily Fairn) eine große Menge Koks geklaut wird und die Hintermänner ungeduldig werden, steht Chris in der Pflicht – und hat gleichzeitig nicht nur eine neue, unerfahrene und sehr rechtschaffene Kollegin (Adelayo Adedayo) an seiner Seite, sondern auch einen alten Widersacher auf den Fersen.

Geschrieben wurde »The Responder« von Tony Schumacher, einem Ex-Polizisten, was der Serie in jeder Minute anzumerken ist. Selten atmete Polizeiarbeit auf dem Bildschirm so viel gnadenlose Wahrhaftigkeit, und was die Darstellung der kaum verhohlen unter der Oberfläche der Funktionstüchtigkeit lauernden Ernüchterung und Depression angeht, gilt das Gleiche. Doch Schumacher lotet das Psychogramm seines Protagonisten mit genug Thrillerspannung aus, um keinen Moment der Langeweile aufkommen zu lassen. 

Im Gegenteil: Im Drehbuch sitzt jeder Dialog, der sich über eine Handvoll Tage erstreckende Plot ist clever aufgebaut und das Netz der zahlreichen Nebenfiguren sorgsam um Chris herumgewoben. Und den spielt Martin Freeman, der sonst ja allzu oft als normalnetter Durchschnittskerl herhalten muss, mit einer emotionalen Wucht und Vielschichtigkeit, wie man sie selten von ihm gesehen hat. Auch deswegen ist »The Responder« im Meer der britischen Polizeigeschichten eine echte Ausnahme­erscheinung. 

OmU-Trailer

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