DVD-Tipp: »303 – Die Serie«

»303« (2018). © Alamode Film

© Alamode Film

Reise mit Umwegen

Jan und Jule treffen an einer Autobahnraststätte am Rande von Berlin aufeinander. Sie hat gerade eine Uniprüfung versemmelt und herausgefunden, dass sie schwanger ist. Im vintage Mercedes-303-Campingbus will sie zu ihrem Freund nach Portugal fahren, um eine Entscheidung zu treffen. Auch Jan muss sein Leben neu kalibrieren, nach einer Absage für sein Stipendium und der Erkenntnis, dass sein leiblicher Vater nicht bei ihm, sondern in Spanien lebt. Beide sind gerade so sehr mit sich beschäftigt, dass sie es gar nicht auf eine Beziehung anlegen. Umso entspannter kann sich eine Freundschaft entwickeln, in der sich aus hitzigen Diskussionen über den Zustand und die Zukunft der Welt, über Individualität und Kooperation, Kapitalismus und Kommunismus, das Sozialverhalten von Neandertaler und Cromagnonmensch und die biochemischen Prozesse zwischen Männern und Frauen zarte Funken lösen, in der sich aus dem geistigen Sparring ein zunehmend sinnliches, physisches eröffnet. Man spürt die Inspiration von Richard Linklaters »Sunrise«-Trilogie, in der sich Julie Delpy und Ethan Hawke im sprühenden Dialogmarathon ausloteten und verliebten (als Produktionsassistent war Regisseur Hans Weingartner da ganz hautnah dabei), aber auch das Erbe eigener Filme wie »Die fetten Jahre sind vorbei« und »Free Rainer«, mit ihren politaktivistischen Ansätzen. Gedreht wurde zweieinhalb Monate lang chronologisch und auf der Reise, Mala Emde und Anton Spieker lassen die von Weingartner aus eigenen Erfahrungen und Interviews mit Twentysomethings destillierten Dialog-Kaskaden mit wundervoller Unmittelbarkeit über die Lippen fließen.

2018, als der Film in die Kinos kam, war noch nicht abzusehen, wie sehr die Pandemie das Reisen vereinzeln, wie populär das Unterwegssein im Campingbus unter dem Einfluss von Covid werden würde. Umso schöner, dass die rund zweieinhalbstündige Version dieses Roadmovies von Berlin nach Portugal jetzt im ursprünglichen, längeren Serienformat von acht Folgen und gut vier Stunden zur Verfügung steht. Man kann gar nicht immer ausmachen, was schon im Film drin war und was nicht, die Reise hat einfach ein bisschen mehr Luft zum Atmen, mehr Zeit, in Landschaften zu verweilen, sich auf Abzweigungen und Umwege einzulassen.




VÖ: 3. Dezember 2021

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