DVD-Tipp: »Journey's End«

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Intensives Weltkriegsdrama

In England gehört R. C. Sherriffs Stück »Journey's End« von 1928 zum Schulstoff – und bereits vor dieser Adaption war es fünfmal verfilmt worden, darunter schon 1930 von James Whale und 1931 in Deutschland als »Die andere Seite« von Heinz Paul. Die Produzenten Guy de Beaujeu und Simon Reade haben sich 2017 ein weiteres Mal dieses Stoffs angenommen – was zunächst verwunderlich erscheinen mag: ein 90 Jahre altes Stück über den Ersten Weltkrieg, ganz auf Charaktere und Dialoge konzentriert, mit wenig Ansatzpunkten für mitreißende Action?

In unsere Kinos hat es der Film zwar leider nicht geschafft, doch da er jetzt auf Blu-ray und DVD erhältlich ist, kann man sich überzeugen, was Reades präzises Drehbuch, die mitreißende Inszenierung von Saul Dibb und ein perfekter Cast aus diesen Voraussetzungen gemacht haben. »Journey's End« orientiert sich klugerweise in einigen Aspekten mehr an der Romanfassung des Dramas als am ursprünglichen Stück, belässt den Fokus aber auf der Dynamik zwischen den glaubwürdig gezeichneten Figuren im ebenso glaubwürdig gestalteten Setting eines verzweigten Grabensystems und eines Offiziersunterstands an der nordfranzösischen Front im Frühling 1918. Weitgehend ein Kammerspiel und mit nur wenig, doch intensiver Action bietet er ein starkes Kontrastprogramm zu Sam Mendes' One-Shot-Spektakel »1917«. Wird der Grabenkrieg dort mit viel Action, Pathos und reichlich unwahrscheinlichen Wendungen zur Heldenreise, zeigt ihn »Journey's End« mit beklemmendem Realismus als Alltag, in dem Langeweile und Lebensgefahr ganz dicht beieinanderliegen.

Der unerfahrene junge Offizier Raleigh (Asa Butterfield) stößt da zu einer Kompanie, die in den nächsten Tagen den Beginn einer deutschen Offensive erwartet. Kompanieführer ist Captain Stanhope (Sam Claflin), mit dem Raleigh seit Schultagen befreundet ist und den er bewundert. Doch zu Raleighs Entsetzen ist Stanhope an der Front ein ganz anderer Mensch geworden: Die Kriegserlebnisse haben ihn schwer gezeichnet, und seinen seelischen Zerfall befeuert er noch durch exzessiven Whiskykonsum. Halt gibt ihm nur sein von allen »Onkel« genannter, fürsorglicher Freund Lieutenant Osbourne (Paul Bettany), der auch Raleigh unter seine Fittiche nimmt. Bis Osbourne und Raleigh auf ein Himmelfahrtskommando geschickt werden.

Die ängstliche Erwartung des feindlichen Angriffs und das Leben im Graben schildert »Journey's End« mit erstaunlicher atmosphärischer Dichte und bitterer Aufrichtigkeit. Die erdfarbenen Bilder (Laurie Rose) und die suggestiven, düsteren Streicher des Scores (Natalie Holt, Hildur Guðnadóttir) wirken perfekt zusammen mit den eindrucksvollen Schauspielleistungen. Helden gibt es hier keine, allenfalls mehr oder minder erfolgreiche Versuche, auszuhalten und ein guter Kamerad zu sein in einem sinnlosen, endlos scheinenden Stellungskrieg. Über den Ersten Weltkrieg erzählt dieses »kleine« Drama mit seinen leisen Tönen sicher sehr viel mehr als ein Spektakel wie »1917«.

 

Journey's End, GB 2017 R: Saul Dibb. Da: Asa Butterfield, Sam Claflin, Paul Bettany. Anbieter: New KSM.

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