DVD-Tipp: Zweimal Haneke

Cosi fan Tutte
Feiner Strich: Liebe und Hanekes »Così fan tutte«-Inszenierung
In Liebe gibt es diese wunderbare Szene, morgens am Küchentisch: Jean-Louis Trin­tignant als George erzählt seiner von Emmanuelle Riva gespielten Frau von einem Kinobesuch seiner Kindheit, eine Geschichte, die sie noch gar nicht kennt. Sie ist ganz bezaubert, und in seinen Augen schimmert ein Flirt mit dieser Frau, mit der er seit vielen Jahrzehnten verheiratet ist. Während Michael Haneke sonst eher mit unerbittlich analytischer Genauigkeit auf das menschliche Tun blickt, tut er es hier mit einer unglaublichen Zärtlichkeit und Wärme. Auf tief berührende, nie sentimentale, aber auch schonungslos genaue Weise erzählt sein Film von der Liebe und ihren Grenzen im Alter.
 
Dieser genaue, analytische Blick auf das meist ernüchternde Treiben unvollkommener Menschen ist auch dann zu spüren, wenn Haneke, anknüpfend an seine Anfänge im Theater, statt Filmen Mozart-Opern inszeniert. Nachdem er 2006 bereits in Paris den »Don Giovanni« auf seine Weise umgesetzt hat, folgte im letzten Jahr in Madrid die Inszenierung von »CosÌ fan tutte«. 
 
Von theatralischem Opernpomp entschlackt, mit einem realistischeren Ansatz legt Haneke auch hier die Triebkräfte menschlicher Beziehungen frei, in einer Choreographie des Werbens, Verführens, Betrügens, Intrigierens. Dabei fokussiert er Mozarts frivol klamaukiges Spiel um Verführung und Täuschung auf einen eher sezierenden Blick in die Beziehungsabgründe, wobei er den intriganten Don Alfonso und Despina kurzerhand zu einem dritten, älteren Paar zusammenzurrt, und damit den beiden jungen, leichtfertigen Paaren die spätere Ehehölle prognostiziert. In luxuriösen acht Probewochen hat Haneke den Sängern feinste Nuancen abgerungen. Der britische Bariton William Shimell, der sein Charisma auch schon vor der Kamera ausgespielt hat, bei Kiarostami, aber auch in einer kleinen Rolle in Liebe, beschreibt Hanekes besondere Arbeitsweise in der Bonusdokumentation:  »Wir tendieren in der Oper zu dicken, breiten Pinselstrichen, doch er arbeitet fast pointilistisch und mit großer Präzision. Das war harte Arbeit, weil er genau weiß, was er will, und nicht aufgibt, bevor er es bekommen hat.« 
 
Frankreich/Deutschland/Österreich 2012.
­Anbieter: X-Filme.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
L: 202 Min.
Mit: Anett Fritsch, Paolo Gardina, Juan Francisco Gatell, Andreas Wolf, William Shimell.
Anbieter: EuroArts.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt