Kritik zu Avatar: Fire and Ash
Als Überbleibsel der 3D-Ära kann die von James Cameron entworfene Welt nach wie vor mit großen Effekten begeistern und verharrt zugleich in bekannten erzählerischen Mängeln
Nach dem Tod seines Sohnes Neteyam im Vorgängerfilm hätte sich der frühere Marine und Mensch Jake Sully (Sam Worthington) gern seiner Trauer hingegeben. Doch die Möglichkeit dazu wird ihm und seiner Patchworkfamilie nicht gegeben. Zum einen ist noch immer unklar, welches Schicksal Sullys Ziehsohn Miles »Spider« Socorro (Jack Champion) erwartet – der Menschenjunge kann auf Pandora nur dank einer Sauerstoffmaske überleben, außerdem taucht das sogenannte »Asche-Volk« auf, ein neuer Na'vi-Stamm, der sich vor allem durch seine Vorliebe für Brandschatzung und Mord hervortut. Der Krieg gegen die »Himmelsmenschen« ist ohnehin weiter ungelöst.
Schon 2022 wirkte die Rückkehr der »Avatar«-Reihe ein wenig aus der Zeit gefallen. Das einst von James Cameron ausgelöste kurze 3D-Fieber war längst verebbt. Drei Jahre später hat sich daran kaum etwas geändert – und doch bleibt »Avatar« das Maß aller Dinge, wenn es um zeitgenössisches 3D-Kino geht. Auch in Teil drei meint man, selbst nass zu werden, wenn die blauen Bewohner Pandoras ins Wasser eintauchen, oder man schreckt vor den Flammen zurück, die das »Asche-Volk« entfacht. Camerons Weltentwurf Pandora mit all seiner Flora und Fauna hat sein Potenzial, Staunen auszulösen, noch lange nicht ausgeschöpft.
Highlight ist das neue »Asche-Volk« – und allen voran dessen Anführerin Varang. Wie Oona Chaplin ihrer digitalen Figur so viel Charisma, Verführungskraft und kindliche Lust am Bösen verleiht, ist bemerkenswert. Gleichzeitig erweitert dieser Stamm das bislang recht dichotome Weltbild der Reihe: hier die naturverbundenen, spirituellen, friedlichen Na'vi, dort die bösartigen, technologisierten, militarisierten Menschen. Varang und ihr Clan führen nun eine dritte Möglichkeit vor: Na'vi, die sich von ihrer Göttin Eywa losgesagt haben, nachdem sie die Hungersnot ihres Volkes nicht abwenden konnte – und die beschlossen, ihre eigenen Herrscher zu werden. Für Cameron bedeutet dies vor allem Raubbau an der Natur – den Prometheus-Mythos und die Möglichkeit zur Emanzipation, die in der Geste des Feuerbringens liegt, denkt er dabei nicht mit. Bei ihm sind jene, die sich gegen die göttliche Ordnung auflehnen, vor allem Waffenfanatiker.
Interessant ist dabei, dass diese vermeintlich Bösen zugleich als die vermeintlich Toleranteren auftreten. So hat Varang keinerlei Probleme damit, dass ihr neuer Liebhaber – »Spiders« Vater und Sullys Erzfeind Col. Miles Quaritch (Stephen Lang) – früher ein Mensch war und im Inneren noch immer ist. Für Sullys Frau Neytiri (Zoë Saldaña) stellt dies bei ihm dagegen weiterhin ein Problem dar. Während die aus Teil eins und zwei bereits bekannten Stämme in einer gottesfürchtigen Kultur verharren, die mythisch mit Natur und Ahnen verbunden ist und dem »Ältestenrat« ohne Widerrede folgt, wirkt das »Asche-Volk« überraschend emanzipiert – wenn auch auf destruktive Weise.
Am Ende sind es Sullys Kinder, die einige dieser verkrusteten Muster aufbrechen – mit dem immer gleichen Resultat: Krieg. Man stelle sich vor, Teil vier würde einmal mit Völkerverständigung, Generationenwechsel oder einer klugen Technologisierung Pandoras enden. Das wäre wirklich mal etwas Neues.




Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns