ZDF-Mediathek: »We Are Lady Parts«

»We Are Lady Parts« (Miniserie, 2021). © ZDF/Saima Khalid/Laura Radford/Diana Olifirova

© ZDF/Saima Khalid/Laura Radford/Diana Olifirova

Früchte des Zorns

Ihr Sound sei zu dünn, meint Saira, Gitarristin und Leadsängerin des Trios Lady Parts. Es fehle eine Leadgitarristin. Schlagzeugerin Ayesha pariert in dem für sie typischen Tonfall: »Wir brauchen keinen verschissenen Sologitarristen, der unsere Songs vollwichst.« Sie zählt erfolgreiche andere Trios auf, schießt sich aber selbst ins Abseits, weil sie die allseits verachteten Blink-182 einbezieht. Lady Parts verstehen sich als Punkband, was Leadgitarristen einst aus einer antihierarchischen Haltung heraus kategorisch ausschloss. Aber die Szene ist offener geworden. Die Texte bleiben kühn und provokant, mit Refrains wie »Voldemort Under My Headscarf« und »Ain't No One Gonna Honour Kill My Sister but Me«. Die Band covert aber auch Dolly Partons »9 to 5« und Queens »We Are the Champions«. Allerdings im Punkmodus.

Saira und Ayesha werden von aus ihrer Biografie herrührendem unbändigem Zorn getrieben, den sie in ihrer Musik ausleben können, Saira auch in ihrem Beruf als Metzgerin. Mittlerfigur ist die unerschütterliche Bassistin Bisma, Zeichnerin wenig erfolgreicher feministischer Comics und Mutter.

Alle drei sind Muslima, so wie Amina, die gegensätzliche Lebenspläne verfolgt. Die Doktorandin der Mikrobiologie sucht verzweifelt einen Ehemann. Gläubig muss er sein, Bart und buschige Augenbrauen würden nicht schaden. Amina spielt Gitarre, aber nie öffentlich. Als Kind musste sie sich vor Aufregung auf der Bühne übergeben. »Ich unterrichte nur«, lautet ihr Mantra. Auf den Innenseiten ihres Kleiderschranks hängen Plakate der Singer-Songwriter Don McLean und Janis lan.

Dennoch wird sie von der resoluten Saira als neues Bandmitglied erwählt. Amina sträubt sich, aber, wie sie aus dem Off berichtet, der Zug rollt unaufhaltsam auf das zarte Lämmchen zu. Ein schiefes Bild, denn das Lämmchen wird nicht zerfetzt, sondern in seinem Selbstbewusstsein gestärkt. Bis dahin ist es freilich noch ein langer Weg. Eine der Hürden besteht darin, das neue Hobby vor den sehr traditionell eingestellten Freundinnen geheim zu halten.

Drei der Musikerinnen tragen Kopftuch, Managerin Momtaz den Nikab nebst Stachelarmbändern. Ihr gelingt das Kunststück, unter der Gesichtsbedeckung zu rauchen. Wobei offenbleibt, ob es sich um legales Kraut handelt. Wer weiß. Sie soll ja auch wegen Brandstiftung im Gefängnis gewesen sein.

Nida Manzoor, Tochter pakistanischer Einwanderer, schrieb und inszenierte zunächst einen Kurzfilm für eine Comedysendung des öffentlich-rechtlichen Senders Channel 4, die zur Basis der Sitcom wurde. Sie und ihr Autorinnenteam unterlaufen Vorurteile, verstehen sich auf originelle Dialoge, spicken sie mit Popkulturzitaten.

Auf der Bildebene sorgen Trickeffekte für komödiantische Wirkung. Wenn Amina betrübt die alte Folkweise »Girl of Constant Sorrow« anstimmt, tauchen Handpuppen auf und trällern den Chor. Ein andermal träumt sie sich mit dem angehimmelten Ahsan in ein schwarz-weißes Hollywood-Melodram. Ahsan ist zufällig der Bruder der lesbischen Ayesha und wird von ihr gedungen, mit Amina zu flirten.

Nida Manzoor brachte eigene Erfahrungen als Musikerin ein und trug mit ihren Geschwistern zum Soundtrack bei. Auch das 2014 gegründete indonesische Metal-Trio »Voice of Baceprot« dürfte eine Inspiration gewesen sein, drei Muslima, die ihre Karrieren als Schülerinnen begannen, stets mit Hidschab auftreten und massive Kritik aus religiösen Kreisen einstecken mussten. Ähnliches widerfährt der Band in der Serie, was, ein kleines Manko der Geschichte, kurz und gefällig aufgelöst wird.

Wenn Lady Parts Probenraum und Bühne rocken, spielen die Schauspielerinnen die Instrumente selbst und sind neben Second Wife und Anjana Vasan auf dem Soundtrack-Album zu hören. Die Steadicam ausgenommen, liegt die Gestaltung dieser Produktion gänzlich in weiblichen Händen, einschließlich der Beleuchtung, die die aus Deutschland stammende, mehrfach preisgekrönte Carolina Schmidtholstein übernahm.

OV-Trailer

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