Fantasy Film Fest White Nights 2023

»Limbo« (2021). © Capelight Pictures

»Limbo« (2021). © Capelight Pictures

Neues Jahr, neuer Schrecken. Nachdem im regulären Kinoprogramm »M3gan« durchstartete, bekommen die Genrefans in sieben Großstädten an den kommenden beiden Wochenenden eine Extraportion an feinster Genrekost, wenn das Fantasy Film Fest zusätzlich nur großen Septemberausgabe ein Special präsentiert, mit zehn Filmen an zwei Tagen.

Neben Filmen, die halten, was sie versprechen, steht auch wiederum Außergewöhnliches auf dem Programm. Für die erste Kategorie etwa stehen zwei Filme aus Asien, der koreanische »Projekt Wolf Hunting« und die chinesische/Hong Kong-Produktion »Limbo« von Soi Chang, die 2021 bei der Berlinale erstaufgeführt wurde: ein schwarzweißer Neo Noir, in dem ein ungleiches Polizisten-Duo in Hongkong Jagd auf einen Serienkiller macht. Die pure Energie, die der Film verströmt, erinnert an die Glanzzeit des Hongkong-Kinos in den achtziger Jahren – etwas, für das heute das Actionkino aus Korea steht. Das ist diesmal mit Kim Hong-suns »Projekt Wolf Hunting« vertreten: 122 Minuten geballte Action um einen Gefangenentransport von Manila nach Korea an Bord eines Frachtschiffes, bei dem es den Gefangenen gelingt, sich mit Hilfe von Verbindungsleuten unter den Polizisten zu befreien. Das Blut fließt in Strömen über den Fußboden oder spritzt aus Wunden, denn Gefangene werden nicht gemacht. Am Ende ist es aber ein Wesen namens Alpha, das unter Deck zu neuem Leben erweckt wird und es auf alle Menschen abgesehen hat.

Nach so vielen Adrenalinstößen kann man wieder runterkommen bei dem finnischen »Hit Big« von J.-P. Valkeapää. Seine drei Protagonisten sind die ehemalige Schönheitskönigin Marjaleena, die jetzt in ihrer Bar Bella an der Costa del Sol mit ihrem Bier-Buddy Mikko und dessen Kumpel, ihrem (erwachsenen) Sohn Vili abhängt – sie sind selber ihre besten Kunden, wenn es Mikko gerade mal nicht gelingt, skandinavische Reisegruppen hierher zu lotsen. Als ihnen ein Anwalt ankündigt, dass Marjaleena Ex-Mann Worm, frisch aus dem Knast, den Laden an die albanische Mafia verkauft hat und ihnen eine Abfindung sowie Tickets zurück nach Finnland spendiert, werden sie hellhörig, zumal als Mikko entdeckt, dass eines Nachts eine Tasche mit Geldscheinen transportiert wird: Worm hat die Beute aus seinem letzten Raub unter der Bar verborgen. Daran möchte das Trio natürlich gerne partizipieren und entführt als Druckmittel Worms Braut. Klar, dass dabei nicht alles nach Plan verläuft, ebenso klar, dass diese Protagonisten gewöhnungsbedürftig sind.

Zu den Filmen, die nicht unbedingt gewohnte Sehgewohnheiten befriedigen, dürfte vielleicht auch die Dystopie »Lockdown Tower« zählen, in der sich die Bewohner eine Apartmentkomplexes eines Morgens von vollkommener Dunkelheit umgeben und gefangen sehen – interessant auch, weil Regisseur Guillaume Nicloux bis jetzt eher für Schauspielerorientierte Dramen stand.

Der spanische »Prison 77« dagegen kommt ganz ohne fantastische Momente aus, schön ihn trotzdem auf der großen Leinwand sehen zu können. Inspiriert von wahren Ereignissen, beginnt die Handlung im Februar 1976, drei Monate nach dem Tod des Diktators Franco. In den Gefängnissen allerdings haben noch immer die Wärter das Sagen und nutzen ihre Macht für Brutalität und Willkür. Dagegen formiert sich individueller und dann auch kollektiver Widerstand. Die Geschichte endet erst 1978, als dem Protagonisten – dem eine Tat in die Schuhe geschoben wurde, die er nicht begangen hatte – die Flucht gelingt. 1978 war in Spanien das Jahr der Gefängnisausbrüche (insgesamt 79), informiert uns ein Schriftzug am Ende, die Gesetze wurden zwar geändert (aber ohne Beteiligung der Gefangenen), eine Amnestie jedoch lehnte das Parlament ab. 

Setzt dieser Film ganz auf die Identifikation mit seinen Protagonisten, so funktioniert das im US-Film »Soft & Quiet« genau umgekehrt. Die Damen, die Grundschullehrerin Emily zum Kaffee versammelt, sehen sich allesamt in der Tradition der Pioniere, die dieses Land besiedelten. Das Hakenkreuz, mit dem Emily ihren selbstgebackenen Kuchen verziert hat, deutet allerdings schon an, dass sie darüber hinausgehen und bereit sind, den 'multicultural warfare' aktiv auszufechten. Sie nennen sich selber 'Daughters for Aryan Unity' und finden beim Einkauf in einem Laden in einer Asiatin ihr Opfer. Das Eindringen in deren Haus, das als eher ausgelassener Kindergeburtstag beginnt, mündet in Gewalt, bei der sie sich gegenseitig hochschaukeln und hinterher nur noch ihre Spuren versuchen zu beseitigen. Der von Beth de Araújo geschriebene und inszenierte Film geht unter die Haut und ist ein legitimer Nachfolger von Filmen wie »Hunted« oder der »The Purge«-Reihe, wie dieser ebenfalls produziert von Jason Blum.

Fantasy Film Fest White Nights 2023, Berlin und Frankfurt: 28./29.1., Hamburg, Köln, München, Nürnberg, Stuttgart: 4./5.2.

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