Edimotion-Festival in Köln

Macht und Montage
»Wer wir waren« (2021). © X-Verleih

»Wer wir waren« (2021). © X-Verleih

Das Edimotion-Festival für Filmschnitt und Montagekunst in Köln würdigt die Arbeit von Editor*innen. Und stellte in diesem Jahr ein paar unbequeme Fragen

Warum braucht ein Kunstwerk denn eine Zielgruppe? Man macht einen Film so gut es geht, und wenn die Leute dann zu dumm sind, ihn zu verstehen, ist das eben so«, kommentierte Filmjournalist Daniel Kothenschulte mitten in die hitzige Debatte, die rund um das erste Panel zum Themenschwerpunkt in Köln geführt wurde. Die Editorinnen Gesa Marten und Sandra Brandl sprachen unter der Überschrift »Menschen (de)montieren. Deutungshoheit im Dokumentarfilmschnitt« über den von Marten montierten »Eine deutsche Partei«, der AfD-Mitglieder aus drei parteipolitischen Ebenen im Stil des Direct Cinema über ein Jahr hinweg begleitet. Wird der rechtsextremen Partei eine Bühne geboten, oder entlarvt sie sich durch ihr Handeln selbst? Führt man sie vor oder dürfen Rechtsextremisten auch als nette Typen rüberkommen, Stichwort »Banalität des Bösen«? Die Frage nach der Verantwortung gegenüber den Protagonist*innen im Dokumentarfilm war nur eine von vielen, die unter der Klammer »Macht und Montage« diskutiert wurde. Im Panel »Montage als Waffe – Von Warfluencing, Fake News und Forensik« war das Editing journalistischer Formate der Ausgangspunkt. Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger skizzierte zunächst die Entwicklung propagandistischer Montageformen von Eisenstein bis Alt-Right-Frontmann Steve Bannon. Im anschließenden Gespräch mit dem aus Moskau stammenden und nun in Berlin tätigen Journalisten Vladimir Esipov ging es um digitale Strategien und Bildregime in der modernen Kriegsführung, am Beispiel Russlands. Anhand von rasant montierten Rekrutierungsvideos der »Wagner-Gruppe« oder Ausschnitten aus zeitgenössischen, russischen Kriegsfilmen legte sie dar, wie die dortige Bevölkerung seit Jahren für Gewalt desensibilisiert wird. Was tun gegen die Instrumentalisierung westlicher Videospiel- und Ego-Shooter-Ästhetiken, gegen Fake News und Deep Fake? Esipov gab sich am Ende pessimistisch, ob westliche Demokratien der Propaganda autokratischer Regime mit Investigativ-Plattformen wie Forensic Architecture oder Bellingcat etwas Wirksames entgegenzusetzen hätten. 

Auch abseits des Themenschwerpunkts ging Edimotion mit der Programmauswahl ans Eingemachte. Schon der Eröffnungsfilm »Der Kongress der Pinguine«, zu Ehren von Fee Liechti Seigner gezeigt, die als erste Schweizer Editorin für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, setzte einen dringlichen Ton: Ein Erzähler aus dem Off sinniert bei einem Streifzug durch ein verlassenes Walfängerdorf über Grausamkeit und Zerstörungswut der Menschen, eine Kolonie von Kaiserpinguinen fällt derweil in eisiger Kälte ein vernichtendes Urteil über unsere Spezies. Fast 30 Jahre alt, hat der Film nichts von seiner Aktualität verloren. 

Auch die Beiträge in den Wettbewerben um die Schnitt Preise packten unbequeme Themen wie das Ende der Weimarer Republik (»Fabian oder der Gang vor die Hunde«), schwule Liebe im Gefängnis (»Große Freiheit«), die ukrainischen Maidan-Proteste (»Olga«), gescheiterte Sozialisierung eines Mörders (»Auf Anfang«) oder Umweltzerstörung (»Wer wir waren«) an. Den Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm erhielt Editor und Regisseur Fred Baillif für seine semi-dokumentarische Milieustudie La Mif, die in einem Genfer Heim für Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen spielt. Mit dem Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm wurde Editorin Anja Pohl für ihre Montage von »Walchensee Forever« ausgezeichnet, ein bedrückendes Porträt von Frauen aus drei Generationen.

Was niederschmetternd klingt, bot die Grundlage für aufschlussreiche Gespräche mit den Editor*innen vor Ort und Einblicke in das oft übersehene, in seiner Bedeutung für den fertigen Film aber kaum zu überschätzende Gewerk. Insbesondere Dokumentarfilme, merkte Editor Chris Wright in der eingangs erwähnten Diskussion an, seien dabei die Kunstform, die in unserer polarisierten Gesellschaft überhaupt noch Ambivalenzen zuließe. Die selbst empfundene Ohnmacht angesichts bestimmter Themen müsse daher auch dem Publikum zugemutet werden – eine Devise, die auch Edimotion in diesem Jahr erfolgreich beherzigte.

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