E-Mail an... Andres Veiel

Kurz gefragt, schnell geantwortet. Prominente über ihre Vorlieben und Filmerfahrungen
Andres Veiel © Arno Declair

Andres Veiel © Arno Declair

Andres Veiel, 61, Regisseur und Autor, wurde bekannt mit politisch-zeitgeschichtlichen Filmen wie »Black Box BRD« und »Der Kick«, hat aber auch eine Affinität zu Theater und Kunst (»Die Spielwütigen«, »Beuys«). Am 18. November läuft in der ARD sein erster TV-Film an, das Drama »Ökozid«

Ihr erster Film?

Mit sechs habe ich »Die Tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten« gesehen. Der Film war eine gute Vorbereitung für spätere Höhenflüge und Abstürze. 

Welchen Film sehen Sie immer wieder?

»1900« von Bertolucci. Der Film erzählt die ewige Geschichte von Arm und Reich, Herr und Knecht, Macht und Ohnmacht im Brennglas großartiger Figuren, ohne Belehrung, mit umso mehr Humor. Mit 18 habe ich »1900« das erste Mal gesehen. Als das Licht im Kino anging, wusste ich: Irgendwann will ich so was auch probieren. 

Welche Serie verfolgen Sie gerade?

»Rohwedder« auf Netflix. Eigentlich wollte ich nach »Black Box BRD« und »Wer wenn nicht wir« mit dem Thema RAF abschließen. Viele Fragen sind aber noch immer unbeantwortet. Deshalb bin ich auf alle Filme gespannt, die versuchen, die Geschichte der Terrorgruppe neu zu erzählen. 

Welche Filme haben Sie zuletzt beeindruckt? 

»Heimat ist ein Raum aus Zeit« von Thomas Heise und »Kulenkampffs Schuhe« von Regina Schilling. Beides sind Beispiele, was dokumentarisches Erzählen kann, wenn aus Archiv, neu gedrehtem Material und persönlichem Kommentar eine eigene Filmsprache entwickelt wird – und wenn dies von Sendern und Förderern unterstützt wird (viel zu selten!).

Auf welche Filme freuen Sie sich? 

Auf die Arbeiten von Anja Salomonowitz, Andi Dresen, Regina Schilling, Bong Joon-ho. Und die neuen Filme der Studenten an der DFFB, die ich begleite. 

Ihre LieblingsschauspielerInnen?

Die, die an Grenzen gehen. Sich veräußern, ohne sich dabei zu entblößen. Und sich zugleich ein Geheimnis bewahren. Manche verbrauchen sich dabei, stecken die Kerzen an zwei Enden an, gehen viel zu früh. Susanne Lothar oder Ulrich Wildgruber zum Beispiel. Beiden trauere ich nach. 

Wer oder was ist unterschätzt? 

Die Bedeutung von Filmgeschichte. Wir erleben ein permanentes Überangebot an Neuproduktionen, dem kaum noch zu folgen ist. Eine Auseinandersetzung mit der Gewordenheit der heutigen Filmsprachen findet nicht mehr statt. In den Streamingportalen gibt es mit wenigen Ausnahmen keine Angebote dazu. Retrospektiven werden kaum noch in den Kinos angeboten, weil die wenigen Angebote nicht angenommen werden. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.

Ein Lieblingsfilm, der ein bisschen peinlich ist?

Merkwürdigerweise auch ein Film von Bertolucci, den ich früher sehr mochte: »Der letzte Tango von Paris«. Selten hat mich ein Film nach Jahren so enttäuscht. Er ist grauenhaft sexistisch, wirkt dabei konstruiert und äußerlich. Er taugt nicht einmal mehr als Dokument einer verzerrten Idee sexueller Befreiung. 

Was sammeln Sie?

Alle persönlichen Reaktionen auf meine Arbeit: Schmähungen, Androhungen einstweiliger Verfügungen, aber auch Dankbarkeit, Ermutigung – als Versuch einer Verortung, wenn das Kind in der Welt ist. 

Wo sitzen Sie im Kino? 

Früher immer vorne: Als Kind hatte ich andere Kinder gehänselt, die eine Brille tragen mussten. Dann wurde bei mir Kurzsichtigkeit diagnostiziert. Um der Rache der Brillenträger zu entgehen, habe ich meine Sehhilfe so selten wie möglich benutzt. Um im Kino überhaupt etwas mitzukriegen, musste ich in der ersten Reihe sitzen. Seitdem ich mich meinem Schicksal gefügt habe und Brille trage, sitze ich bevorzugt hinten.

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