Grenzgänger zwischen Fiktion und Realität

Michael Glawogger

© gmb akash

Der Filmemacher Michael Glawogger ist überraschend verstorben

"Dieser Film soll ein Bild der Welt entstehen lassen, wie es nur gemacht werden kann, wenn man keinem Thema nachgeht, keine Wertung sucht und kein Ziel verfolgt. Wenn man sich von nichts treiben lässt außer der eigenen Neugier und Intuition", sagte der Filmemacher Michael Glawogger noch kürzlich über seine neueste dokumentarische Arbeit, für die er seit Dezember 2013 mit seinem Filmteam auf Weltreise war. Sein Film ohne Namen sollte "ein Film über die Schönheit, über das Glück“ werden, jedenfalls: "ganz anders als alles, was ich bisher gemacht habe".

Zuletzt war der österreichische Regisseur in Afrika, Liberia, unterwegs. Dort ist er in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Alter von 54 Jahren völlig überraschend an Malaria gestorben.

Zeit seines Lebens war der gebürtige Grazer auf einer großen Endeckungsreise, um herauszufinden, was die Welt ihm erzählen kann. Schon kurz nach dem Abitur, Anfang der Achtziger, verließ Glawogger Österreich, um in San Francisco ein Filmstudium aufzunehmen, das er einige Jahre später an der Wiener Filmakademie beendete. Nachdem er sich anfangs in einigen Spielfilmen ausprobiert hatte, fand der umtriebige Regisseur schließlich zu seinem Metier - den "essayistischen Dokumentarfilmen", die sich durch eine Mischung aus Dokumentation und Inszenierung auszeichneten. Als Grenzgänger zwischen Fiktion und Realität hat sich Glawogger in den darauffolgenden Jahren international einen Namen gemacht und war mit breit angelegten Dokumentarfilmen wie Megacities (1998), Workingman's Death (2005) und Whores’ Glory (2011) auf den renommiertesten Festivals weltweit vertreten. Bekannt war er auch für spleenige, bitterböse Komödien wie Slumming (2006), die das Regionale lustvoll verzerrten und in ihrer Komplexität auch Anlass zur Irritation geben.

"Seine filmische Sprache war originär, mit dieser Sprache hat er der Welt von Dingen erzählt, die kein anderer so präzise ausdrücken hätte können", beschreibt Gabriele Kranzelbinder, Präsidentin des Verbands Österreichischer Filmproduzentinnen und Filmproduzenten (AAFP) die Besonderheit seiner Arbeiten. In opulent fotografierten Filmen, für die er oft jahrelang recherchierte, verzichtete der Österreicher auf vordergründige moralische Wertungen – Haltung zeigte er aber immer.

Glawoggers letzter fertig gestellter Film ist sein vergleichbar kleiner, aber äußerst assoziationsreicher Beitrag für Wim Wenders' dokumentarisches Projekt Kathedralen der Kultur, das im Mai in die deutschen Kinos kommen wird. Glawoggers Porträt der Nationalbibliothek in St. Petersburg in 3-D soll die Bibliothek als einen Ort darstellen, der "vollgepackt mit allem Möglichen an Ideen und Gedanken [ist], [eine] materialisierte Mannigfaltigkeit, Verkörperung einer Geistesgesamtheit." 

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