Kritik zu Wir sind Juden aus Breslau

© Karin Kaper Film

Karin Kaper und Dirk Szuszies zeichnen in ihrem Dokumentarfilm das Generationenporträt einer Gruppe von im Breslau der 20er und 30er Jahre aufgewachsenen Juden

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Filme, die das Schicksal von Überlebenden der Schoah dokumentieren, sind mittlerweile fast ein Genre für sich. Ganze Archive haben sich der Aufbewahrung ihrer Erinnerungszeugnisse gewidmet. Hinzukommen wird nur noch wenig. Denn immer mehr derer, die die Jahre von 1933 bis 1945 selbst miterlebt haben, sterben oder sind krank und gebrechlich.

Von 1921 bis 1931 geboren sind auch die Protagonisten dieses Films, der das Gedenken regional fokussiert und auf das heutige Wrocław schaut – damals immerhin die Stadt mit der drittgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland. Dennoch kommt sie in der polnischen und der deutschen Gedenktradition eher am Rande vor, heißt es im Film. Der will nun in fast letzter Minute noch einen möglichst großen Schatz der Erinnerungen der überlebenden Breslauer Juden und Jüdinnen und ihrer ermordeten Verwandten retten und dokumentieren.

Dabei richtet er sich ebenso an ein zukünftiges wie (besonders mit einigen Szenen zum aktuellen polnischen Nationalismus) an ein aktuelles Publikum. Das sollte schon Ausdauer mitbringen: Denn mit den vielen Gesichtern und Geschichten ist das Projekt eine Herausforderung nicht nur an die Montage, die zum Teil sehr kurze Statements und längere erzählende Passagen um ein von Cellomusik begleitetes Kaddisch gruppiert. Auch die Zuschauenden sind gefordert. Als Rahmen des Films dienen Begegnungen von Schülergruppen aus Bremen und Wrocław im Jahr 2015 mit den Alten.

Deren Lebensgeschichten – auch der im Mai verstorbene Historiker Fritz Stern ist dabei – decken ein großes Spektrum an Erfahrungen ab: vom Verlust der Familie im KZ über Zwangsarbeit, gelungene Flucht und freiwilligen Kriegseinsatz bis hin zum Neuaufbau in Israel, den USA und Wrocław. Dabei gibt es auch eine melancholische Reminiszenz an den Idealismus der frühen Kibbuzim. Formal erfindet der in Kooperation mit einer Fülle an Institutionen produzierte Film den Dokumentarfilm nicht neu – einige der bekannten nicht auf Breslau bezogenen Archivbilder hätte man ebenso wenig vermisst wie die wohl unvermeidliche Pianobegleitung. Aber die Hauptsache bleibt: die eingefangenen Stimmen und Gesichter selbst.

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