Kritik zu Nemesis

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Virtuose Zermürbungsarbeiten eines Paares – das Debüt von Nicole Mosleh ist ein Susanne-Lothar-Ulrich-Mühe- Vermächtnis geworden

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An diesem Blick muss auch ein Schlachtschiff zerschellen. So scharfkantig und, trotz der zarten Statur seiner Absenderin, so massiv. Er gehört zu einer zinnernen Schmerzsoldatin, die nichts so gut kann, wie das Aushalten. Eine, die mit jedem Atemzug mehr von ihren Lebensenergien abträgt, ihrem mageren Leib noch ein Quäntchen mehr entzieht, ihr Seeleneisen noch eine Stückchen enger zieht und bei allem Schmerz doch nicht zerbrechen wird. Der einzige Triumph, der ihr am Ende noch bleiben wird. Eine klassische Susanne- Lothar-Figur.

Gerade sitzt sie, ihre Heldin heißt Claire, mit ihrem Mann (Ulrich Mühe als Robert) beim Abschiedsessen mit Freunden und Nachbarn und verkündet gegen alle intimen Absprachen, dass das Paar sich trennen wird. Und dass das ganze Gerede von einem Neuanfang an einem anderen Ort verlogener Mist ist. Da mag man noch so modern und liberal in seinem italienischen Exil mit Seezugang daherkommen, noch so viel reden von »Abstand« und »Veränderung«. Das Paar ist am Ende und das aus Gründen, die im Kern so alt und gewöhnlich sind wie die menschliche Sehnsucht nach Komplettierung im anderen. Sie erstickt ihn mit Kontrolle, erpresst ihn mit seiner Schuld und ihrem Leiden. Er entzieht sich mit Heimlichkeiten, nimmt sich gleich, was er begehrt, geht seit Jahr und Tag fremd, bleibt aber bei ihr. Weil er nicht schuld sein mag, wenn sie doch zerbricht.

Zu diesem Amalgan aus Liebe, Verzweiflung und Hass fügt die Regisseurin Nicole Mosleh in ihrem Debütfilm Versatzstücke eines Krimis hinzu. Claires Schwester Nina wurde im Haus des Paares umgebracht und obendrein posthum verstümmelt. Nina war jünger, schöner und lebendiger als Claire. Robert hat das gleich gesehen. Das hat die Ältere der Jüngeren nie verziehen. Der Mord, das Whodunit, sitzt dem Paar wie ein Fluch im Nacken. Die tote Schwester, eine Opfergabe an den Irrsinn dieser Paarpathologie.

Die schon routinierte Virtuosität, mit der Lothar und Mühe die Zermürbungsarbeit ihrer Protagonisten zelebrieren, dominiert über erzählerische Schwächen und Irritationen, über all die Zeitsprünge, die das Geschehen vor und zurück und immer wieder über die Tat selbst springen lassen. Das Haus-Innen wird ihre Kammerspielbühne.

Mit Verspätung erreicht Nemesis endlich bundesweit die Leinwand. Wegen zahlreicher juristischer Querelen, die sich zudem nach dem Tod Ulrich Mühes 2007 nicht mehr so leichtklären ließen, musste der Film trotz erfolgreicher Premiere 2011 in Hof erst einmal in der Schublade verschwinden. Mit diesem zeitlichen Abstand und den ihnumrankenden Streitigkeiten ist er umso mehr ein »künstlerischer Nachlass« geworden, wie die Regisseurin am Telefon sagt. Nicht nur der eines großen Schauspielers oder einer großen Schauspielerin, denn Susanne Lothar folgte ihrem Mann fünf Jahre später,sondern eines Schauspielerpaares, das sich als symbiotisch selbstzerstörerisches Duo des öfteren Kamera und Publikum aussetzte. Und wer die beiden so wie hier sieht, kann kaum anderes als voyeuristisch hinter den Bildern auch eine Paarrealität herbeizuspekulieren.

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