Kritik zu Die Reise des chinesischen Trommlers

© Neue Visionen Filmverleih

Eine Aufführung des zen-buddhistischen »U-Theatre« inspirierte Regisseur Kenneth Bi zu einer Geschichte, bei der die Klangkunst chinesischer Trommler das Leben eines Gangstersohnes verändert

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Es gibt viele Martial-Arts-Filme, in denen ein unbeholfener, von seinen Eltern vernachlässigter Jugendlicher bei einem Meister in die Lehre geht und zu seinem Erstaunen vor der Einweisung in die Kampfkünste Geduld, Demut und Respekt einüben muss. Es gibt Hunderte von Triaden-Filmen, in denen ein Gangstersohn gegen seinen Mafiavater rebelliert, ins Geschäft mit dem Tod hineingezogen wird und entweder selbst als Unterweltfürst endet oder sich für einen unschuldigen Bruder- Freund-Polizist opfert. Kenneth Bi hat in seinem außergewöhnlichen Film »Die Reise des chinesischen Trommlers« die Typologie der Genres aufgebrochen und ihre Elemente ebenso rasant wie subtil verwirbelt.

Der Film, ausgezeichnet mit dem Hongkong Film Award für den besten Jungregisseur, ist eine Weltreise, obwohl sie oberflächlich betrachtet lediglich von Hongkong nach Taiwan führt. Der 20-jährige Sid, Sohn der Unterweltlegende Kwan und nicht minder arrogant als sein auch von ihm gefürchteter Vater, hat ein Verhältnis mit der Konkubine des mächtigen Stephen Ma. Als die Affäre auffliegt, fordert Ma von Kwan die Hände des unbotmäßigen Sohns, eine besonders perfide Strafe für den Musiker Sid. Um Sid aus dem Schussfeld zu bringen, sendet Kwan ihn mit einem Aufpasser in die Berge von Taiwan.

Gelangweilt und immer noch von familiärem Größenwahn beherrscht, geht Sid den magischen Klängen ferner Trommeln nach. Er stößt auf eine Gruppe von Zen-Trommlern, die ihn bei sich aufnehmen, aber mit der genretypischen Zurückhaltung ihm zunächst Achtung vor sich selbst, den anderen und der Natur abverlangen. Diese klassische Unterweisung gelingt Kenneth Bi besonders reizvoll, weil er sich der Hilfe einer berühmten Gruppe versicherte: Die Mitglieder des »U-Theatre« spielen sich selbst und hypnotisieren sowohl Sid wie den Betrachter mit ihrem vielseitigen Können. Tai-Chi, Kampfkunst, Meditation, ein einfaches Leben ohne Strom und Wasserleitung, Disziplin und die Freiheit der Genügsamkeit ordnen den Alltag und die fließenden, kraftvollen Bewegungen der Trommler, die Shaolin-Mönchen gleichen. Ihre Musik ist existenziell wie der Herzschlag der Mutter, den ein Ungeborenes hört, archaisch wie ein Erdbeben, transzendent wie der Atem der Schöpfung. Ihre Performance in den großartig fotografierten Bergen Taiwans wäre Grund genug, den Film zu sehen.

Doch auch jenseits der absehbaren Reise in die geläuterte Seele eines Großstadtgecken hält der Film die Finessen einer gelungen vom Muster abweichenden Gangstergeschichte bereit. Auch bei Kenneth Bi muss Sid sich schließlich entscheiden, ob er das Erbe seines Vaters antreten will, der von Tony Leung Ka Fai als wahre Naturgewalt gespielt wird. Das Nachwuchstalent Jaycee Chan hält Sids Charakter gelungen in der Schwebe. Natürlich erlaubt der buddhistische Grundton des Films am Ende keine allzu großen Überraschungen, aber die Kunst der Selbstüberwindung ist hier ein Schauspiel von beeindruckender Glaubwürdigkeit.

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