Kritik zu Das Mädchen und der Künstler

© Camino Filmverleih

2012
Original-Titel: 
El artista y la modelo
Filmstart in Deutschland: 
25.12.2013
L: 
104 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Der spanische Regisseur Fernando Trueba verhandelt nach seinem "Chico & Rita" erneut ein Künstlerleben vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte: Diesmal geht es in schwarz-weißen Realbildern um einen Maler und sein Model zu Kriegszeiten

Bewertung: 3
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 2)
Der Lauf der Geschichte sickert durch die filmischen Erzählungen von Fernando Trueba, er setzt die Atmosphäre von Zeit und Ort, in der sich die Liebesgeschichten entfalten, von denen sie handeln. Sein mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichneter Belle Epoque – Saison der Liebe spielte im Bürgerkriegsspanien der Übergangsphase zwischen Demokratie und Franco-Diktatur, und die stimmungstrunkene Animation Chico & Rita folgte zwei kubanischen Musikern, die sich auf ihren Wegen zwischen Havanna, New York, Hollywood, Las Vegas und Paris immer wieder verlieren und finden. Nach dem Jazz von Chico & Rita kreist jetzt Das Mädchen und der Künstler um die Arbeit eines Bildhauers.
 
Fern der Eruptionen des Zweiten Weltkrieges taucht im Sommer 1943 auf dem französischen Landsitz eines betagten Bildhauers (Jean Rochefort) ein junges Mädchen auf, das vor den Schikanen des Franco-Regimes aus Spanien geflohen ist. Der Anblick der schönen, blutjungen Mercè (Aida Folch) weckt die schlummernde Schaffenslust, die in den letzten Jahren wohl den Ernüchterungen des Krieges und den Mühen des Alters zum Opfer gefallen war. Vermutlich hat seine Frau (Claudia Cardinale) sich genau das erhofft, als sie das Mädchen mit den zerschrammten Beinen im nahe gelegenen Städtchen aufgelesen und für eine warme Mahlzeit nach Hause eingeladen hat. So entspinnt sich zwischen Künstler und Modell eine zarte Freundschaft, ein Austausch der Gaben von Jugend und Weisheit, der an Jacques Rivettes Die schöne Querulantin erinnert, oder an Peter Webbers Das Mädchen mit dem Perlenohrring
 
Auch für Mercè ist die Zeit im Atelier des Künstlers eine Schule des Sehens, sie lernt das Wesen der Kunst zu verstehen: »Das sieht ja gar nicht aus wie ich«, moniert sie einmal enttäuscht beim Anblick einer kleinen Skulptur, für die sie tagelang nackt Modell saß. Natürlich sei das keine absolute Kopie, erwidert der Künstler, es ginge lediglich darum, die Natur zurate zu ziehen. Und überhaupt lasse sich die Realität nicht einfangen, weil das Licht und die Blätter immer in Bewegung seien. Während der Künstler in immer neuen Vorstudien und Arbeitsphasen mit seinem Werk ringt, kreisen die Gespräche um das fragile Verhältnis von Modell und Kunstwerk, von Wirklichkeit und Abbild, und um das Wesen der Kunst und der Schönheit.
 
Eine künstlerische Wahrnehmung durchdringt auch die erlesen komponierten, kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bilder des Debütkameramanns Daniel Vilar. Jeder Blick in die Landschaft wird da zu einem kontemplativen Stillleben, wie sich umgekehrt der weich geschwungene Körper des Mädchens in eine Landschaft mit Hügeln und Tälern verwandelt. Zugleich sorgt Mercè aber auch dafür, dass die wirkliche Welt Einzug in den Elfenbeinturm hält, denn immer wieder verschwindet das Mädchen, um Flüchtlinge über die Grenze zu lotsen, und bietet schließlich auch heimlich einem desertierten Soldaten Unterschlupf auf dem Dachboden. So beeinflussen sie eine Weile lang gegenseitig ihre Art, die Welt zu sehen, bis sich ihre Wege wieder trennen.

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