Kritik zu Bruno

OmU © Filmperlen

2019
Original-Titel: 
Bruno
Filmstart in Deutschland: 
15.10.2020
Heimkinostart: 
19.02.2021
L: 
95 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Ohne Dach und ohne Gesetz: In Karl Goldens Sozialdrama heftet sich ein kleiner Ausreißer an die Fersen eines Obdachlosen und versetzt dessen Leben einen neuen Dreh

Bewertung: 3
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Im Geräteschuppen irgendwo unter einer Eisenbahnbrücke hat der wohnungslose Daniel (Diarmaid Murtagh) provisorischen Unterschlupf gefunden. Mit seinem Hund Bruno, einem Labrador, streift der Vierzigjährige ziellos umher. Zum Kinderspielplatz hat er eine rätselhafte Beziehung. Wenn Leute hier ihren Müll liegen lassen, räumt der schweigsame Mann nachts auf. Als ein paar Halbstarke aus Langeweile die Schaukel abfackeln, schreitet Daniel ein und wird übel zusammengeschlagen. Der Hund ist verschwunden. Wie geht es weiter?

Die erste halbe Stunde in diesem unaufdringlichen Sozialdrama ist ungeheuer gut gemacht. Auf Augenhöhe eines gebrochenen Menschen, der altmodische Transistorradios repariert, bewegt sich die Kamera durch die Großstadt. Aus der Sicht des Außenseiters, der durch das soziale Netz fiel, erscheint das reibungslos funktionierende Großstadtgetriebe umso gespenstischer. 

Daniels einzige Anlaufstelle: die etwas schmuddelige Wäscherei von Malik (Seun Shote), der dem Clochard mit kleinen Jobs über die Runden hilft. Die skizzierte Freundschaft zu einem Schwarzafrikaner mit großem Herzen dient nicht dem prätentiösen Ausstellen einer migrationsbejahenden Pose. Der Film hat ein aufrichtiges Interesse an diesem Malik. Der Migrant wird so zur Schlüsselfigur in einer bewegenden Geschichte, die langsam, aber mitreißend in Gang kommt. 

So muss Daniel nicht nur den Verlust seines Hundes verkraften. Obendrein heftet sich der siebenjährige Ausreißer Izzy (Woody Norman) an seine Fersen. Das Nichts, das Daniel hat, teilt er nun mit diesem treuherzigen Jungen. Der irische Filmemacher Karl Golden belebt diese Erzählung, die man unter anderem aus Chaplins »The Kid« kennt, mit wunderbar authentischen Momenten. Einmal fährt der mürrische Obdachlose den Jungen hart an, der dann betreten sagt: »I have to go to the toilet«. Spürbar wird hier nicht nur die Verletzlichkeit eines Kindes. Wenn Daniel die vollgepinkelte Hose des Jungen wäscht und unter dem Luftstrahl des Händetrockners reinigt, dann gelingt Karl Golden großes Kino. Man fühlt sich an die frühen Milieustudien von Mike Leigh erinnert, der die Schicksale seiner Figuren mit liebenswürdiger Präzision herausschält. In diesem Sinn überzeugt auch »Bruno«. Statt um plakative Gesellschaftskritik geht es dem Film mehr um einen Blick in ein Zwischenreich zwischen bürgerlicher Existenz und dem sozialen Abgrund. 

Dass Karl Golden hier nach einer »frustrierenden Zeit als Vertragsregisseur« zum Schreiben seiner eigenen Filme zurückkehrt, hat sich gelohnt. Die berührende Geschichte, die am Ende haarklein – und mit Rückblenden – auseinandersetzt, warum Daniel aus dem bürgerlichen Leben ausscherte, erscheint in ihrer Auflösung zwar etwas glatt. In Erinnerung bleibt aber nicht zuletzt der großartige Diarmaid Murtagh, bekannt aus der Serie »Vikings«, der dem mürrischen Obdachlosen eine unglaubliche Präsenz verleiht.

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