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Die Adaption von Donna Tartts überbordendem Erfolgsroman von 2013 über einen Halbwaisenjungen und ein gestohlenes Bild gelingt nur in Teilen
Sie mögen keine Comics sein, doch auch Roman-Bestseller stellen für Hollywood eine unwiderstehliche Versuchung dar. Nicht zuletzt wenn es darum geht, ein womöglich etwas älteres Publikum abzuholen oder sich gar für Oscars und andere Preise in Position zu bringen, greifen Produzenten immer wieder auch auf literarische Stoffe zurück, die sich schon millionenstark bewährt haben und vor allem noch möglichst frisch in Erinnerung sind. Schlechte Erfahrungen schrecken dabei offensichtlich nicht ab, obwohl es derer viele gibt, man denke an die nie über eine Pilotfolge hinausgekommenen TV-Adaption von Jonathan Franzens »Die Korrekturen« oder die Kinofassung von »Girl on the Train«.
Leider reiht sich nun auch »Der Distelfink« in diese Liste ein, was womöglich keine Überraschung ist für all jene, die Donna Tartts üppigen und mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Roman von 2013 ohnehin für unverfilmbar hielten. Andererseits ist natürlich nichts wirklich unverfilmbar, solange man den passenden Ansatz und die richtigen Mitstreiter findet. Doch eben davon kann in diesem Fall leider nicht die Rede sein.
John Crowley, zuletzt mit »Brooklyn« für eine andere, bezaubernde Literaturverfilmung verantwortlich, bleibt der Vorlage durchaus treu. Wir begleiten den jungen Protagonisten Theo (Oakes Fegley), der seine Mutter bei einem Terroranschlag im Museum verlor, bei dem auch das titelgebende Bild verschwand, wie er zunächst bei der Familie eines Freundes unterkommt, später vom leiblichen Vater (Luke Wilson) in die Wüste Nevadas geholt wird und schließlich wieder nach New York zurückkehrt, wo er sich als Antiquitätenhändler auf windige Geschäfte einlässt. Um die Liebe geht es natürlich auch, genauso wie um Trauer und um Freundschaft, um Schuld und um die Macht der Kunst, um Wahrheit und Fälschung.
Anders als Tartt erzählen Crowley und Drehbuchautor Peter Straughan nicht chronologisch, sondern springen hin und her zwischen Theo als Kind und als jungem Erwachsenen, womit allerdings nichts gewonnen ist. Im Gegenteil: In diesem »Distelfink« fügen sich die – zum Teil gelungenen – Einzelteile nie zu einem stimmigen Ganzen zusammen, auch weil der Film trotz einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden den zahllosen Figuren und ihren Motivationen nie gerecht wird. Was selbst für den omnipräsenten, aus dem Off erzählenden Protagonisten gilt, den Oakes Fegley sehr überzeugend und Ansel Elgort als erwachsener Theo eher fad und blass gibt.
Ringsherum sind mit Nicole Kidman, Sarah Paulson, Jeffrey Wright oder auch Finn Wolfhard (aus »Stranger Things«) tolle Schauspieler zu sehen, und Kameramann Roger Deakins sorgt für einen verlässlich schönen Anstrich, wie er für eine solche Prestigeproduktion fast schon Pflicht ist. Doch niemandem gelingt es, dem »Distelfink« echtes Leben und ein emotionales Gerüst zu verleihen. Was bleibt, ist das seltsame Gefühl, einen Film gesehen zu haben, der gleichzeitig zu kurz und viel zu lang ist.