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Gerhard Midding

Die Pariser Friedhöfe halten den Besucher zur Taktlosigkeit an. Die Suche nach einem bestimmten Grab lässt sich kaum bewerkstelligen, ohne dass man über andere Grabstätten steigen muss oder ihnen zumindest pietätlos nahe tritt. Sie liegen einfach zu eng beieinander. Das wird sich in Zukunft nicht bessern, da an eine Vergrößerung ihrer Fläche im Stadtraum natürlich nicht zu denken ist und manche Neuzugänge einfach nicht abgewiesen werden können.

Gerhard Midding

Irgendwo schnappte ich vor Jahren einmal einen Satz auf, in dem eine schöne Utopie formuliert ist: Große Kunstwerke verstehen sich untereinander. Das muss für ihre Schöpfer nicht gelten. Auch wenn sie Allianzen schmieden, Freundschaften pflegen oder Seelenverwandtschaften entdecken, wollen sie sich doch abgrenzen. Das kann aus ästhetischen oder moralischen Vorbehalten heraus geschehen. Aber auch Eifersucht und Missgunst sind Triebfedern, deren Kraft man nicht unterschätzen sollte.

Gerhard Midding

Von Berufs wegen gerät ein Filmkritiker selten in Verlegenheit, sich Gedanken über die Kleiderordnung zu machen. Bei feierlichen Premieren empfiehlt es sich natürlich nicht, in Räuberzivil zu erscheinen. Aber ansonsten senkt sich das Dunkel gnädig über jedwede Modeverirrung im Kinosaal. An diesem Abend bereitete mir die Frage nach der angemessenen Garderobe jedoch Kopfzerbrechen. Zu fein herausgeputzt wollte ich zu dem Anlass nicht erscheinen, ein allzu legeres Auftreten erschien mir aber ebenso riskant.

Gerhard Midding

Für deutsche Intellektuelle und Filmemacher einer bestimmten Generation ist er nach wie vor eine Galionsfigur. Ihnen erschien er als Vordenker, dem sie bereitwillig folgten und heute noch unbeirrt die Treue halten; schon aus Gewohnheit und Mangel an Alternativen (oder doch eher Neugierde?). Derlei inbrünstige Verehrung ist keine exklusiv deutsche Verirrung. Das Vergnügen, mit dem ich Richard Brodys Blog „The Front Row“ im „New Yorker“ lese, wird mir regelmäßig vergällt durch dessen Manie, in mindestens jedem zweiten Eintrag zwanghaft seinen Säulenheiligen ins Spiel zu bringen.

Gerhard Midding

Die Fußballbegeisterung vieler Kollegen ist mir ein Rätsel. Es harrt seit Jahrzehnten seiner Klärung. Diese zweifache Leidenschaft scheint mir ein vorrangig deutsches Phänomen zu sein; von französischen Filmkritikern ist mir jedenfalls nicht bekannt, dass sie davon infiziert wären (für Briten, Italiener, Spanier, Portugiesen, Ungarn und Brasilianer kann ich mangels einschlägigen Austauschs nicht bürgen). in hiesigen Filmkritikerkreisen treibt die Fussballbegeisterung jedenfalls interessante Blüten.

Gerhard Midding

Ist es unfair, dass wir Amokläufe nach ihren Schauplätzen benennen? Das Gedächtnis der Öffentlichkeit assoziiert sie fortan unweigerlich; die Bluttat bleibt ein nicht zu tilgender Schandfleck in der Stadtgeschichte. Allerdings haben auch die Alternativen beträchtliche Nachteile. Amokläufe nach den Tätern zu nennen, würde nur nachträglich deren Geltungssucht schmeicheln. Und die zu beklagenden Opfer sind meist zu zahlreich.

Gerhard Midding

Dass Pressevorführungen kurzfristig abgesagt werden, kommt zuweilen vor und wäre an dieser Stelle eigentlich nicht der Rede wert. Früher geschah das mitunter, wenn die Filmkopie nicht rechtzeitig eintraf; und auch die digitale Projektion hat ja gelegentlich noch ihre Tücken. Auf „Unter Beobachtung“, der am gestrigen Spätnachmittag in Berlin gezeigt werden sollte, hatte ich mich schon gefreut.

Gerhard Midding

Vor etwas mehr als einem Monat, im Eintrag vom 26.4., habe ich Ihnen den französischen Toningenieur Bruno Tarrière vorgestellt. Damals unterhielten wir uns über seine Arbeit an »Zärtlichkeit« von Marion Hänsel. Wir verabredeten, das Gespräch anlässlich des Kinostarts von »Araf« fortzusetzen.

Gerhard Midding

An der Seite war eine falsche Hausnummer vermerkt, aber dennoch traf der Stein ohne Probleme und Verzögerung an seinem Bestimmungsort ein. Allerdings entspann sich eine kurze Diskussion darüber, wo genau er seinen Platz finden sollte. Ja, direkt vor dem Eingang, aber nicht zu nahe an der Hauswand, sondern am besten in der Mitte des Gehwegs.

Gerhard Midding

 Das war für mich der Lackmustest: Wird im Film tatsächlich von den „Mündelgeldern“ die Rede sein, die der Vater unterschlagen hat? Seit Anna Martinetz' Adaption von Arthur Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“ in Saarbrücken Furore machte, eilt ihr der Ruf großer Werktreue voraus. Ich mochte das kaum glauben. Ist es vorstellbar, dass eine heutige Else aus Scham und Verzweiflung Selbstmord begehen könnte? Und warum sollte eine junge Filmemacherin, die doch bestimmt vor eigenen Ideen übersprudelt, Demut aufbringen vor einer Vorlage, die 90 Jahre alt ist?