Mit Perlen und Polemik

Die 67. Filmfestspiele von Cannes eröffnen mit dem Grace-Kelly-Biopic Grace of Monaco gewohnt glamourös und mit publicity-trächtigen Auseinandersetzungen im Hintergrund

Wenn es keine Kontroverse gäbe, hätte er wohl etwas falsch gemacht: Ein Film, der wie Grace of Monaco von einer der glamourösesten Figuren des 20. Jahrhunderts erzählt, ist prädestiniert dazu, auch zum Widerspruch reizen. Hauptsache, er ist es wert, dass über ihn geredet wird. Insofern hat das Filmfestival von Cannes mit seiner Wahl des Eröffnungsfilms auch in diesem Jahr wieder eine ganz richtige Entscheidung getroffen. Da kann die Fürstenfamilie aus Monaco die Einladung zur Filmpremiere ausschlagen, weil sie mit den Freiheiten, die sich der Film bei der Darstellung der historischen Ereignisse rund um Grace Kelly in der Ehe zu Rainier III nimmt, nicht einverstanden sind – so etwas trübt die Stimmung an der Croisette nicht wirklich. Und die Neugier der Zuschauer sowohl in Frankreich als auch in Deutschland diese Woche startet, wird dadurch erst recht angeregt.  

Der Film des französischen Regisseurs Olivier Dahan, der vor wenigen Jahren Marion Cotillard mit dem Edith-Piaf-Biopic La vie en rose zum Oscar verholfen hat, gibt für seine Monaco-Handlung zwar genaue Jahresdaten an, die geschilderten historischen Ereignisse sind aber größtenteils erfunden. Der Hauptteil der Handlung spielt im Jahr 1962, Grace Kelly ist seit 1956 mit Rainier verheiratet, das ist das reale Ereignis, von dem der Film sich zu seiner Fiktion inspirieren lässt. Zu Beginn kommt ein gut gelaunter Hitchcock vorbei und bietet seiner vermeintlichen Lieblingsblondine die Hauptrolle in seinem neuen Film Marnie an. Das Angebot ist verbürgt, nicht aber Hitchcocks persönlicher Besuch. Ähnlich verhält es sich mit den politischen Verwicklungen, in die der Film Grace Kelly stürzen lässt. Ja, es gab Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und dem Fürstentum, und tatsächlich veranlasste Charles de Gaulle auch eine Straßenblockade, aber die wahre Geschichte so doch noch einmal ganz anders aus.

Regisseur Olivier Dahan unterdessen bestand auf das Recht zur Friktion und verteidigte sich gegen die Vorwürfe mangelnder historischer Genauigkeit damit, dass er nie vorhatte, ein Biopic im eigentlichen Sinne zu drehen. Tatsächlich ist sein Film auch genau dann am stärksten, wenn Hauptdarstellerin Nicole Kidman sich auf der Starre der Imitation der graziösen Grace losmacht und die Intrigen am Fürstenhof mit spionierenden Hausangestellten und geheimen Abhöraktionen Seifenoperncharakter annehmen. Dann passen auch die zahlreichen Kleinauftritte gut ins Bild, in der namhafte Darsteller einst prominente Personen wie Maria Callas (Paz Vega), Aristoteles Onassis (Robert Lindsay) oder de Gaulle (André Penvern) verkörpern. Tim Roth gibt Rainier als leicht verschrobenen Fürsten mit Hang zur Dekadenz, der sich dennoch von seiner Frau immer wieder beeindrucken lässt.

An Kostümen und Ausstattung wurde nicht gespart: Grace de Monaco ist ein Augenschmaus für alle, die an der Mode, den Automarken und den Postkartenmotiven der beginnenden 60er Jahre hängen. Es war die Epoche, in der die Cote d’Azur vielleicht ihre besten Jahre hatte. Als Spiegel dieser damals noch nicht von Massentourismus irritierten Pracht, passt Grace of Monaco eben auch perfekt nach Cannes. Der Glamour von einst überstrahlt die teils sehr harschen Kommentare der Kritik. Zumal die sich über eine weitere Polemik zum Film auslassen kann. Es heißt, dass der mächtige amerikanische Verleiher Harvey Weinstein den Oscar-Erfolg von La vie en rose wiederholen wollte, eigens auf Nicole Kidman als Grace besetzt hätte und sich außerdem beim Schnitt stark eingemischt hätte. Regisseur Dahan hatte Mühe, seine Vision gegen den Weinstein durchzusetzen. Es hat ihn letztlich wahrscheinlich die Oscar-Chancen gekostet. Aber einstweilen hat der Glanz des Festivals auch diese Wogen geglättet. 

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