Es bleibt spannend. Tut es das?
Uns war von Anfang an klar, dass der Artikel bei seinem Erscheinen Makulatur sein würde. Nicht einmal ein später Redaktionsschluss hätte geholfen. Aber ebenso klar war, dass man unbedingt etwas zur Bieterschlacht um Warner Brothers bringen müsste.
Wir fieberten tagelang, was gut zum Thema passte. Jeden Morgen wurde die IMDb konsultiert, ob es neue Entwicklungen gab. Die Meldungen überschlugen sich. Paramount/ Skydance überbot Netflix massiv. Mithin räumte mir die geduldige Redakteurin den spätmöglichsten Abgabetermin ein. Und selbst am Morgen danach blieb noch eine kurze Frist, um das Stück auf den aktuellsten Stand zu bringen: Jared Kushner, der Schwiegersohn des Präsidenten und Investor bei Paramount, hatte sich über Nacht zurückgezogen. Am Tag darauf, die Druckerpressen liefen schon, kündigte der Aufsichtsrat von Warner Bros Discovery an, man würde doch das Angebot von Netflix annehmen. Meine Redakteurin und ich verzichteten höflicherweise auf unser tägliches Telefongespräch. Ein, zwei Tage später kündigte Paramount/Skydance an, das Angebot noch einmal zu erhöhen. Wie war das möglich? Zwar stammt der Großteil des Geldes aus den Golfstaaten, aber wer würde die nun entstandene Lücke schließen? Larry Ellison, Trump-Intimus und Vater des Paramount-Eigentümers David, sprang in die Bresche. Er versprach, mit 40 Milliarden Dollar aus seinem persönlichen Vermögen für den Deal zu bürgern. Den Gründer von Oracle wird das nicht sehr schmerzen, für einen kurzen Moment überflügelte er in diesem Jahr Elon Musk als reichsten Menschen der Welt. Es stand also noch alles offen.
Nun scheint es, als sei unsere Sorge unbegründet gewesen. Das Januarheft ist heraus und immer noch nichts entschieden. (Falls Sie mit der Postzustellung hadern, die bestimmt nicht nur in Berlin ein fortwährendes Trauerspiel ist, finden Sie den Text auch auf der Website: https://www.epd-film.de/themen/warner-bros-harpune-oder-messer). Heute früh alarmierte mich die Meldung in Variety, der Aufsichtsrat würde am Netflix-Kurs festhalten und das Paramount-Angebot ablehnen. Aber die Überschrift war vollmundiger als der Artikel (https://variety.com/2025/biz/news/warner-bros-discovery-reject-paramount-offer-netflix-1236620900/) selbst, in dem nur davon die Rede ist, der Aufsichtsrat von WBD sei bereit dazu.
Derweil muss ich gestehen, dass ich überhaupt nicht begreife, weshalb es überhaupt zu dieser Übernahme kommen muss. Gewiss, daran werden viele Aktionäre von WBD (allen voran der CEO David Zaslav) eine Menge Geld verdienen. Aber ist der Verkauf eines Unternehmens, das nicht schlecht dasteht, wirklich eine unausweichliche Konsequenz? Gar ein Naturgesetz? Das Hollywoodkino der 1980er Jahre hat es uns gelehrt. Damals schien es nur zwei Berufe zu geben, die dramatisches Potenzial besaßen: Cops und Börsenmakler. Das „Gier ist gut!“ der Reagan-Ära hat als Motto seither nie ausgedient. Vor ein paar Tagen erst geriet ich beim Zappen in „Die Thomas Crown Affäre“ von 1999 hinein, wo Pierce Brosnan eingangs einige Geschäftsleute über den Tisch zieht und die Inszenierung uns quasi nötigt, ihm dafür zu applaudieren. Nur ein Beispiel, die Liste der Filme ist lang, die uns forsch einladen, genüsslich die Perspektive der Ein Prozent einzunehmen.
Mulmig darf einem bei beiden Szenarien werden. David Ellison scheint bei Paramount einen Rollback in die Zeit vor #MeToo vollziehen zu wollen, er hat sich vorgenommen, einige Figuren zu rehabilitieren, die seither gecancelt wurden. Überhaupt liegt ihm ein Macho-Kino à la „Top Gun“ (noch ein Wiedergänger aus den 80ern, der bezeichnend ist) am Herzen. Ellison ist das, was man bis vor Kurzem noch einen digitalen Außenseiter im Hollywoodgeschäft nannte. Inzwischen schicken sich längst die Tech-Milliardäre an, dort das Ruder übernehmen. Demnächst werden sie womöglich kein Feindbild mehr sein. Allerdings: Was ist davon zu halten, dass Warners offenkundig Ted Sarandos' Netflix den Vorzug geben, einem Unternehmen, dass zeit seines Bestehens niemals schwarze Zahlen geschrieben hat? Dessen enorme Schuldenlast wird sich dank der rund 11 Millionen Milliarden nur noch erhöhen, mit denen WBD derzeit in der Kreide stehen. Ohnehin fragt man sich als Nicht-Ökonom, wer hier eine feindliche Übernahme plant. Sarandos' feiste Geringschätzung der Kinoauswertung bedeutet nichts Gutes für deren Zukunft. Der Romantiker in mir hätte gehofft, in diesem Tauziehen würde mal jemand auf die kontrazyklische Idee kommen, das fatal verringerte Kinofenster wieder zu verlängern. Daran müsste ein sieches Studio wie Paramount doch eigentlich brennend interessiert sein. Aber das hat ja auch seine eigene Streamingplattform. Mit Sarandos würde es wohl komplett verschwinden. So oder so ist zu bezweifeln, dass eine Fusion der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden wird.




Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns