Sanfter Fels

Die Reagans mit Rock Hudson. Foto: White House photo office

Ich kann mich nicht erinnern, je einen infameren Nachruf gehört oder gelesen zu haben. Das war eine erschütternde und für meinen späteren Berufsweg folgenschwere Erfahrung. Seither bin ich jedenfalls davon überzeugt, dass für Boshaftigkeit in dieser journalistischen Disziplin kein Platz ist.

Es war Anfang Oktober 1985. Das Wintersemester hatte noch nicht begonnen. Während meines Ferienjobs hörte ich meist den britischen Soldatensender BFBS. Auf ihm hatte es mal eine gute Filmsendung gegeben. Die Musik gefiel mir nach wie vor, aber mit den Ansichten der Moderatoren haderte ich immer mehr. Diese Entzauberung hatte wohl mit der Falkland-Krise begonnen, als sie ihr wahres, ultra-patriotisches Gesicht zeigten.

An diesem Morgen wurde gemeldet, dass Rock Hudson gestorben war. Der Radiosprecher fand nur vernichtende Worte für den Verstorbenen. Er entlarvte mein einstiges Leinwandidol als eine einzige, große Lüge. Sein Zorn entzündete sich bereits an seinem Künstlernamen, der immerhin von Henry James' »Roderick Hudson« inspiriert war. Seine ganze Existenz sei ein Betrug und sein Leinwandimage eine üble Fälschung gewesen. Beides war nicht ganz verkehrt, aber der Tonfall des Moderators ging mir gegen den Strich. Außerdem fand ich, seine Schuldzuweisungen träfen den Falschen. Noch heute erstaunt mich jene Wut, die sich als Entlarvungsfuror ausgab. Die Enttäuschung musste schon sehr groß gewesen sein, wenn sie sich in so verächtlichen Worten artikulierte. Ich hatte den Eindruck, der Sprecher fühlte sich persönlich zutiefst verraten, als bekannt wurde, dass Hudson an der Immunschwächekrankheit AIDS litt. Sein Weltbild war offenbar so sehr erschüttert, dass er kein gutes Haar mehr an ihm lassen konnte.

Auch mir war Hudson stets als Inbegriff einer unkomplizierten, in einigen Douglas-Sirk-Filmen sogar schlichten Männlichkeit erschienen. Das ging für mich in jüngeren Jahren ganz in Ordnung. Und auch später genierte es mich nicht wirklich, dass es seinen Charakteren an Schattenseiten und Abgründen gebrach. Er passte einfach gut auf die Rollen, die Universal ihm antrug. Ich schätzte ihn als zuweilen trefflichen Komödianten, der auch in dramatischen Rollen (bei Richard Brooks, Robert Aldrich und John Frankenheimer) überzeugend sein konnte. Dass er schwul gewesen war, schien mir kein Grund zu sein, mich der Komplizenschaft zu schämen, die ich empfunden hatte, wenn er mal wieder die eisern treuherzige Doris Day überlistete. Für mich war sie die eigentliche Verstellungskünstlerin in dieser Konstellation; ihre Natürlichkeit erschien mir stets eher trotzig als ursprünglich.

Im Oktober 1985 konnte ich vielleicht schon erkennen, wie heroisch sein Kampf gegen die furchtbare Krankheit gewesen war. Wie unermesslich wichtig es war, dass er seinen Starruhm in die Waagschale warf, um auf sie aufmerksam zu machen, erschloss sich mir erst später: Auch wenn es anfangs gewiss nicht freiwillig geschah, gab er ihr als erster Hollywoodstar ein Gesicht. Bis dahin hatte ich Zuneigung für ihn empfunden, nun kam Respekt hinzu. Den verdienten auch seine alten Partnerinnen Elizabeth Taylor und Doris Day, deren Freundschaft zu ihm sich als unverbrüchlich erweisen sollte, nachdem sein »Doppelleben« bekannt wurde.

Das Schwule Museum in Berlin widmet ihm nun eine Ausstellung, die noch bis Ende März läuft. Sie ist sehr klein, lohnt aber den Besuch. Ihren Titel »Rock Hudson und die AIDS-Krise« löst sie nur zum Teil ein. Über Hudson erfährt man eine ganze Menge. Ich hätte mir allerdings gewünscht, die Schau würde die Krise stärker vergegenwärtigen. Die meisten Exponate stammen aus einer Kölner Privatsammlung. Björn Klimek muss ein großer Fan des Schauspielers sein. Liebevoll hat er Plakate, Szenenfotos und Zeitungsartikel gesammelt. Auch der obligatorische Bravo-Starschnitt fehlt nicht (gibt’s den eigentlich heute noch?). Wie akribisch Hudsons Leinwandpersona inszeniert wurde, wird in mehreren Bilderserien deutlich. Das ist eine Zeitreise in eine restaurative, ganz und gar nicht unschuldige Epoche. Oft ist er mit nacktem Oberkörper zu sein, beefcake nannte man diesen Kult damals, der für heutige Begriffe fast unverfänglich wirkt. Hudsons Präsenz war athletisch, wenngleich auf natürlichere Weise als die der zahllosen Bodybuilder, die in den 50ern Leinwandruhm in Hollywood und Italien suchten.

Die Ausstellung lässt mich mit einigen Fragen zurück. Warum wird Fitzgerald als sein Geburtsname genannt und nicht Roy Scherer jr.? Im Testament benutzt er tatsächlich die erste Variante. Und wer hat nun sein Vermögen geerbt, George »Jerry Cotton« Nader oder einer seiner Lebensgefährten? Die Ausschnitte aus der Sensationspresse sind weitgehend unkommentiert ausgestellt. Mitunter fehlt das Korrektiv zu den vielen Falschmeldungen aus den hysterischen, ebenfalls restaurativen 80ern. Das letzte Foto von Hudson stammt von Greg Gorman, der es dem Schwulen Museum geschenkt hat. Die Krankheit ist ihm nicht anzusehen, es ist gnadenvoll retuschiert.

Auf der Science-Fiction-Retrospektive der Berlinale war Hudson gerade in Frankenheimers »Der Mann, der zweimal lebte« (Seconds) zu sehen, in einer wunderbaren 35-mm-Kopie. Darin ist er eigentlich falsch besetzt. Der Regisseur wollte ursprünglich Laurence Olivier (zu wenig Anziehungskraft an der Kinokasse) und dann Kirk Douglas (anderweitig beschäftigt) für die Hauptrolle. Auch die wären eine Fehlbesetzung gewesen. Aber keine so großartige.

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