Der Hahn und das Gänseblümchen

Logo der Firma Pathé

Bevor ich verreise, noch rasch ein Programmhinweis, wiederum auf das von arte (keine Sorge, die bezahlen mich nicht!): Am Dienstag, dem 11. August, läuft ein Themenabend zur französischen Filmgeschichte. Die erste Sendung ist zwei Gründervätern der Filmindustrie gewidmet, Charles Pathé und Léon Gaumont. »Zwei knallharte Konkurrenten«, wie der arte-Traíler ankündigt.

Beide Konzerne dominieren noch immer den französischen Kinomarkt und befinden sich heute im Besitz der Brüder Jérôme und Nicolas Seydoux (übrigens Großvater und Großonkel von Léa, der ich hier vor ein paar Tagen meine Reverenz erwies), die zwar gelegentlich kooperieren, sich darüber hinaus allerdings nicht besonders grün sind. Es dürften die ältesten noch existierenden Filmfirmen überhaupt sein – die japanische Shochiku wurde zwar noch früher gegründet, war aber anfangs nur im Theater tätig und stieg viel später ins Filmgeschäft ein: Dieser Tage darf Gaumont das 121. Firmenjubiläum feiern, Pathé wird das 120. am Ende des nächsten Monats begehen.

Bei filmhistorischen Dokumentationen auf arte kann man zwar heutzutage nicht mehr sicher sein, wie viel Historie am Ende dann wirklich noch drinstecken darf, aber die Geschichte der beiden Visionäre ist wirklich faszinierend. Streng genommen sind es sogar mehr als zwei, denn Charles hatte drei Brüder, die sich die Aufgaben teilten. Das Symbol von Pathé frères war ein gallischer Hahn, der indes weniger Ausdruck von Patriotismus war, sondern sich auf das ursprüngliche Geschäft des Unternehmens bezog, das mit einem Hahnenschrei seine Schallplatten und Plattenspieler bewarb. Das Firmenlogo mit dem Gänseblümchen, der Marguerite, geht wiederum auf den Vornamen von Léon Gaumonts Mutter zurück. Beide Logos üben noch immer eine unwiderstehliche Signalkraft aus.

Charles Pathé setzte früh auf Expansion und gründete Niederlassungen und Kinoketten in aller Welt. Bis zum Ersten Weltkrieg beherrschte die Firma den Weltmarkt, danach begann der Siegeszug Hollywoods. Aber wenn Harold Lloyd in den 1920ern Briefe an seinen Co-Produzenten nur mit der Adresse »Charles Pathè, France« versah, kamen sie trotzdem zuverlässig an. Ich habe immer ein leichte Schwäche für Pathé gehabt, obwohl bei Gaumont im Laufe der Jahrzehnte wahrscheinlich mehr gute Filme entstanden sind – allerdings keiner, der so schön ist wie der von der Konkurrenz produzierte "KInder des Olymp"..

Ich schreibe gerade an einer kleinen Pathé-Studiogeschichte, die im September in der Zeitschrift »filmbulletin« erscheinen soll. (Wo es schon so viel um Konkurrenz geht, erlaube ich mir den Seitensprung einmal). Deshalb bin ich auch besonders gespannt auf die zweite Sendung des Themenabends, die sich mit dem Produzenten Bernard Natan beschäftigt. Er ist eine höchst umstrittene Figur, den Einen gilt er als Totengräber des Erbes von Charles Pathé, für die Anderen ist er ein verkanntes, tragisches Genie. Im arte-Trailer wird er als »Gründer der modernen Filmindustrie«gefeiert, der als Jude in Auschwitz ermordet wurde. Ich nehme an, in der Doku wird auch der in den 30ern im französischen Filmgeschäft grassierende Antisemitismus zur Sprache kommen. Pamela Hutchinson hat im November 2015 bei »Silent but deadly!« den Versuch einer Rehabilitierung unternommen. Das ist das Schöne an der Filmgeschichte: Sie lässt sich immer wieder anders erzählen.

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