Sky: »American Crime Story: Impeachment«

»American Crime Story: Impeachment« (Miniserie, 2021). © 20th Century Fox Film Corporation / FX Pro

© 20th Century Fox Film Corporation / FX Pro

Eine Geschichte der Übergriffe

Schon die bisherigen »American Crime«-Serien über den Mord an Gianni Versace und den Fall O. J. Simpson konnten damit überzeugen, dass sie historische Ereignisse mit Blick auf aktuelles Zeitgeschehen spannend machten. Genauso nun die dritte Staffel über den Lewinsky-Skandal. Im Zuge der #Metoo-Debatte ist eine Neubewertung dieses Skandals überfällig. Für eine frische Sichtweise bürgt auch Mitproduzentin Monica Lewinsky.

Die drei bisher zugänglichen Folgen der zehnteiligen Serie bezeugen den Ehrgeiz, möglichst viele Facetten abzudecken. Beginnend mit der von Linda Tripp (Sarah Paulson) gestellten Falle, einem Treffen mit Monica Lewinsky (Beanie Feldstein) 1998 in einem Café, bei dem diese von Ermittlern abgefangen wurde, entfaltet sich in ausführlichen Rückblenden der Hintergrund der Affäre. Im Zentrum steht mit Tripp die altgediente Angestellte, die 1994, nach Bill Clintons Amtsantritt, aus dem kuscheligen Ambiente des Weißen Hauses, wo sie den Mächtigen ganz nahe war, in ein kafkaeskes Großraumbüro des Pentagon abgeschoben wird. Dort freundet sie sich mit der aus dem West Wing versetzten Praktikantin Monica an. Die erfahrene Tripp ahnt, dass Monica einen mächtigen Mentor hat. Tatsächlich zieht das junge Ding, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, Tripp ins Vertrauen. Den Kontrast zu Monicas Vernarrtheit bildet Paula Jones (Annaleigh Ashford), eine Angestellte aus Arkansas, die sich dazu durchringt, Clinton, ihren einstigen Gouverneur, wegen sexueller Belästigung anzuklagen.

Diese drei Frauen bringen den Stein ins Rollen – unterstützt, und getrieben, von Strippenziehern der Republikaner, darunter der Kolumnistin Ann Coulter (Cobie Smulders), die, scharfsinnig und angriffslustig, mehr »macho« als ihre männlichen Mitstreiter ist. So formt sich ein vielschichtiges Sittenbild des Washingtoner Betriebs, in dem die Winkelzüge von Politikern, Bürokraten, Anwälten und Journalisten eine Eigendynamik entwickeln. Angeheizt werden die Gerüchte durch das neue Medium Internet, das mit seiner Schnelligkeit Zeitungsreporter abhängt und den Gründer des konservativen »Drudge Report«, Matt Drudge (Billy Eichner) nach oben schwemmt. Inmitten der dunklen Anzüge ist der skurrile SelfmadeEnthüllungsjournalist, neben dem von Clive Owen als aasigen Charmeur verkörperten Clinton, der originellste Männercharakter.

Der größte Reiz der Serie besteht in den ambivalenten, vorzüglich gespielten Frauenfiguren. Als Handelnde, die weder nur Opfer noch Täterin sind, verfolgen sie innerhalb eines politischen Minenfeldes zäh ihre jeweilige Agenda. Zwar wirkt das Psychogramm von Tripp, die gierig Monicas Geschichten aufsaugt, recht platt und erfüllt das Stereotyp einer »frustrierten Hexe« (Tripp, die 2020 verstarb, kann sich nicht mehr wehren). Und doch ist sie eine fähige Macherin, die sich dazu entschließt, nicht mehr Öl, sondern Sand im Getriebe zu sein und die verhassten Clintons auflaufen zu lassen: eine frühe Whistleblowerin. Erstaunlich ungeschönt wirkt die Darstellung von Lewinsky als Präsidentengroupie: eine unsichere, gefallsüchtige 21-Jährige, die sich in der Aufmerksamkeit Bill Clintons sonnt, ihn stalkt und ganz in dieser, heute würde man sagen toxischen Beziehung aufgeht. Doch ein Flirt zur Hebung des Selbstwertgefühls, eine einvernehmliche Affäre, das ist das eine; ungewollt körperlich angegangen zu werden, etwas ganz anderes, wie Paula Jones zeigt. Was sie, eine Frau aus der Unterschicht, schildert, erinnert an den Skandal um den französischen Politiker Dominique Strauss-Kahn, der 2011 der oralen Vergewaltigung einer Hotelangestellten angeklagt wurde.

Nicht nur gemessen am #Metoo-Maßstab erscheint Clinton, dem eben nicht allein Affären, sondern sexuelle Übergriffe gerade auf unterprivilegierte Frauen, von Mitarbeitern »Bimbos« genannt, vorgeworfen wurden, als »sexual predator«. Der Sexismus der Journalisten, denen Paula Jones auf einer Pressekonferenz unbeholfen zu erklären versucht, was Clinton tat, ist erschütternd; weibliche Solidarität nur Mittel zum Zweck. Man ahnt, dass in den kommenden Folgen auch Hillary (Edie Falco) keine gute Figur machen wird.

OV-Trailer

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