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Ein Dokumentarfilm über das Leben des großen Bandoneon-Spielers und Tangorevolutionärs
»Das Bandoneon zu spielen«, sagt Daniel Piazzolla, »ist, wie einen Hai zu fangen.« Die Liebe für dieses kleine Instrument vererbte Astor Piazzolla seinem Sohn, und wäre seine Tochter Diana ein Junge geworden, hätte auch sie dieses Instrument erlernt. Aber der Tango, das war im Argentinien der 30er Jahre reine Männersache.
Astor Piazzolla wurde 1921 als Sohn von italienischen Einwanderern in dem argentinischen Seebad Mar del Plata geboren. Wegen der schlechten Wirtschaftslage wanderte die Familie nach New York aus. Da war Astor vier Jahre alt. Sein Vater eröffnete einen Friseursalon, in dem er von morgens bis abends Tango hörte und sich dabei nach Argentinien zurückträumte. Er erkannte die musikalische Begabung seines Sohnes und kaufte ihm auf gut Glück in einem Trödelladen ein Bandoneon.
Astor lernte es eher seinem Vater zuliebe. Sein eigener Wunsch war es, Pianist zu werden. Auch den Tango verehrte er lange nicht so wie sein Vater, er bewegte sich lieber zwischen Bach und Jazz. Irgendwann traf er den berühmten Pianisten Artur Rubinstein, gab ihm ein paar seiner Kompositionen und wurde weitergereicht, nahm Klavier und Kompositionsunterricht, bis eine Lehrerin meinte, sie sähe den wahren Piazzolla nicht. Als er erwähnte, er spiele auch noch Bandoneon, war sie begeistert. Das sei das einzige Instrument, das Paul Hindemith nicht beherrscht habe. Als sie ihn spielen hörte, sagte sie, da sei er, der wahre Piazzolla.
Mit verschiedenen Ensembles revolutionierte Piazzolla daraufhin den Tango. Er wurde bewundert und angefeindet, floh nach New York, kehrte zurück und verschwand, nur um gestärkt wieder hervorzutreten. Er war derart von sich überzeugt, dass er auf einen unüberlegten Satz seines Sohnes – »Merkst du eigentlich nicht, dass du dich rückwärts bewegst«, hatte der den Vater gefragt – zehn Jahre lang nicht mehr mit ihm sprach. Dafür nahm er Bänder auf, im Gespräch mit seiner Tochter, die diesem Film zugrunde liegen.
Das neu entdeckte und ausgewertete Material, das der argentinische Regisseur Daniel Rosenfeld für seinen Film verwertet, enthält viel Erstaunliches und Bewegendes. In der Präsentation allerdings bleibt Rosenfeld dem Zuschauer leider einige Erklärungen schuldig. Wieder ist es das ungeschriebene Gesetz, in einem gelungenen Dokumentarfilm keinen Off-Text zu verwenden, dem das Verständnis hier geopfert wird.
Den Piazzolla-Aficionados mag es leichtfallen, den zahlreichen Orts- und Szenenwechseln zu folgen und zu erkennen, wer gerade zu welchem Thema spricht. Den interessierten Laien kann man dabei aber schon mal verlieren. So bleibt vieles im Vagen, selbst die titelgebende Hai-Periode, die Piazzolla in Anlehnung an Picassos blaue Periode ausruft. Das Bild, das sich auf diese Weise erschließt, ist weder musikalisch noch biografisch rund. Kein Stück wird ausgespielt, oft setzt die Blende vor dem musikalischen Höhepunkt ein und selbst bei den persönlichen Hits Piazzollas fehlen Einordnung und Erklärung. Man hat das Gefühl, die kurzen Ausschnitte des expressiv gespielten Bandoneons werden wieder und wieder wiederholt, mit Piazzollas fast immer gleichen Posen und Gesichtsausdruck. Nur dass er mit den Jahren älter und bärtiger wird.