Retrospektive: »Malou«

»Malou« (1981). © Ziegler Film

Gegenüber den eher wilderen Varianten des »Erzählkinos« eher klassischer Dramaturgie – wie die mörderische Komödie »Im Kreise der Lieben« oder das Musikmächen »Bandits« – wirkt Jeanine Meerapfels »Malou« von 1981 äußerst gediegen. In zwei Erzählebenen aus verschiedenen Zeiten erzählt Meerapfel von Entwurzelung und Identitätssuche: Hannah kramt im Koffer voller Erinnerungen und gedenkt ihrer Mutter Malou, und sie spürt ihre eigene Existenzkrise. Die Mutter war Französin aus Straßburg, heiratete einen Deutschen aus Kehl, konvertierte für ihn zum Judentum, und das dummerweise 1932. Emigration nach Argentinien, Geburt der Tochter, Einsamkeit, Flucht in den Alkohol – ihre Geschichte ist in entrückten Bildern erzählt, Kameramann Michael Ballhaus lässt in sanften Farben alles Helle in überweltlicher Aura leuchten – härter, »realistischer« ist die Erzählebene um Hannah, die den Spuren der Mutter folgt, um zu wissen, wohin sie selbst gehört.

Malou hat Herkunft, Sprache, Religion aufgegeben für den Traum von Liebe und Geld; das ging nicht gut aus für sie. Retrospekt erlebt Hannah diese Krise auch, die Heimatlosigkeit wurde ihr vererbt: Sie, in Argentinien aufgewachsen, gibt nur an der Volkshochschule Integrationskurse für Ausländer (das Jahr 1981 sieht da gar nicht so fern aus) und wird selbst als Ausländerin gehandelt. Ihr Mann ist Architekt, der auf allen Kanälen der Diplomatie mit den Behörden ein Kulturzentrum zur Integration der Ausländer bauen will – so ehrenhaft das Ziel ist, kann Hannah ihn doch nicht unterstützen. Die Männerwelt, in der sie lebt, hat keinen Platz für ihre Fragen und für ihre Suche. Sie ist Anhängsel und darf mit zum Empfang stolzieren, eigenständig darf sie nicht sein. Schön parallel ist das zu Malous Story aufgebaut: Deren Mann – Hannahs Vater – hat sich reingehängt, aus Nazideutschland so viele jüdischen Mitbürger zu retten, wie er kann; doch dabei entfremdet sich die Ehe, das Glück schwindet, und der Mann tätschelt irgendwann einer der geflüchteten Frauen das Knie.

»Weißt du überhaupt, was auf der Welt los ist?«, fragt der Mann sie irgendwann, ihre Antwort: »Und ich?« – Malou ist naiv; das Trauma des Entrissenseins wirkt in ihr. Hannah muss dieses Trauma verstehen, um sich selbst zu verstehen; und Hannah muss über das Verstehen hinaus zum Akzeptieren kommen.

Jeanine Meerapfel weiß, wovon sie erzählt, wurde selbst als Tochter jüdischer Emigranten in Buenos Aires geboren. Um von Malou und Hannah, vielleicht auch von sich selbst zu erzählen, wählt sie den klassischen Stil der Filmkunst – Produzentin war Regina Ziegler, die ja die Traditionen der großen Nachkriegs-Filmhersteller (die Kubaschewski mit dem Gloria-Verleih, Wendlandt mit Rialto, Brauner mit CCC) pflegt: nicht unraffiniert erzählt, aber in allem eingängig und wenig subtil. Immer wieder – im Dialog wie im Voice Over – werden die Gefühle der Frauen ausgebreitet, bis keine Fragen mehr offen bleiben. Was dem Film denn doch leider etwas allzu Altmodisches verleiht.

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