Bilderstürmer

Der Anschlag auf die Redaktion der satirischen Wochenzeitschrift "Charlie Hebdo" in der Pariser Rue Nicolas Appert liegt einen Tag zurück und wahrscheinlich ist das Entscheidende darüber bereits gesagt und geschrieben worden oder fand Ausdruck in spontan organisierten Demonstrationen; auch hier in Berlin. Die Erschütterung und Empörung sind groß. Den Opfern gebührt unsere Hochachtung und ihren Angehörigen unser Mitgefühl.

Der infame terroristische Akt wird uns noch eine Weile beschäftigen, neue Fakten werden hinzukommen. Derzeit sind die mutmaßlichen Attentäter noch nicht gefasst. Ihre Beweggründe aber scheinen bereits dingfest gemacht zu sein. Auch ich kenne einige er ikonoklastischen und wagemutigen Karikaturen, die womöglich ihren Zorn erregt haben – allerdings nicht aus "Charlie Hebdo" selbst, sondern weil sie seit Jahren für Aufsehen und Debatten sorgen und in anderen Zeitungen nachgedruckt wurden. Wie die meisten Kommentatoren hier zu Lande bin ich kein regelmäßiger Leser der Zeitschrift. Früher fühlte ich mir enger verbunden, weil der großartige Michel Boujut dort Filmkritiken schrieb. Er ist der Autor des zweitbesten Buchs über Claude Sautet, hat einen wunderbaren Roman über Romy Schneider geschrieben und war in den 1990er Jahren einmal Mitglied der Berlinale-Jury. Damals lernte ich ihn kennen. Er freute er sich auf eine Begegnung mit Wim Wenders, über den er eine Monographie verfasst hatte, die in Frankreich als bahnbrechend galt.

Gewiss, das ist nur ein unbedeutender Nebenschauplatz dieser Tragödie. Aber die Tatsache, dass "Charlie Hebdo" die Filmsparte einem so vorzüglichen, sorgfältigen unbestechlichen Autor anvertraute, ist ein weiterer Beleg für die exzentrische Integrität des Blattes. Wie ich anfangs schrieb, habe ich nicht viel mehr zu dieser Debatte beizutragen. Das wäre nur ein Fall von "Es ist alles gesagt, aber noch nicht von Allen". Statt dessen möchte ich jemand Anderen zu Wort kommen lassen. Vor knapp einem Vierteljahrhundert nahm ich in Deauville an einem Interview mit Sidney Lumet teil, dem großen, aufrechten Liberalen des US-Kinos. Er erinnerte uns daran, dass kurz zuvor in Carpentras, nur einige hundert Kilometer entfernt, ein jüdischer Friedhof geschändet wurde und sagte etwas, das mir seither nicht mehr aus dem Kopf geht: "Als ich in den 30er Jahren aufwuchs, wäre es mir nicht einmal im Traum eingefallen, dass ich später einmal in einer Welt leben würde, in der es wieder religiöse Kriege gibt."   

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