DVD-Tipp: Wolfgang Kohlhaase DEFA-Box

»Solo Sunny« (1980). © DEFA-Stiftung / Dieter Lück

»Solo Sunny« (1980). © DEFA-Stiftung / Dieter Lück

Kunst der Reduktion

»Ich heiße Sunny«, sagt die von Renate Krössner gespielte Frau am Ende von »Solo Sunny«, »ich komm auf die Annonce wegen einer Sängerin. Ich würds gerne machen. Ich schlaf mit jemandem, wenn es mir Spaß macht. Ich nenn 'n Eckenpinkler 'n Eckenpinkler. Ich bin die, die bei den Tornados herausgeflogen ist«.

Geschrieben hat diese Dialoge Wolfgang Kohlhaase, der zusammen mit Konrad Wolf bei »Solo Sunny« auch Regie führte. Diese letzte Zusammenarbeit von Wolf (der 1982 starb) und Kohlhaase lief in den DDR-Kinos 1980 überdurchschnittlich erfolgreich. Er steht exemplarisch für Kohlhaases Milieuschilderungen des Ostberliner Arbeiterbezirks Prenzlauer Berg. In »Solo Sunny« geht es um Musiker, Kleinkünstler, Freiberufler und ganz allgemein Lebenskünstler, die man so ideologiefrei sonst kaum in DEFA-Filmen sah. 1957 im Klassiker »Berlin Ecke Schönhauser« ist dieser Berliner Bezirk noch viel proletarischer.

Ekkehard Schall spielt dort einen jungen Mann, der als aufmüpfig und unangepasst gilt. Kohlhaase und sein Regisseur Gerhard Klein porträtieren eine Jugend, die sich auch nach westlichen Vorbildern orientiert. In der Freizeit geht man im Westen der Stadt in die Kinos, und die Mädels schwärmen von Marlon Brando. Das passte vielen SED-Funktionären nicht. Auch die am italienischen Neorealismus orientierte Ästhetik irritierte sie. 1965 wird dann die vierte Berlin-Geschichte von Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase, »Berlin um die Ecke«, verboten, in dem es vor allem um den Generationskonflikt zwischen der Jugend und überzeugten Altkommunisten geht. Dabei ist »Berlin um die Ecke« kaum kritischer als seine Vorgänger. Auch hier zeigen sich Klein und Kohlhaase als überzeugte Verfechter der DDR. Aber sie sind keine Propagandisten, benennen kritisch Schwachstellen und Lebenslügen. In »Berlin um die Ecke« setzen die Macher sogar eher auf die Versöhnung der Generationen. Auch hier finden sich diese lakonischen Kohlhaase-Filmdialoge wieder, wenn Olaf über Karin schwärmt: »Ick hab erst hinjesehen, als sie jerufen haben... Jenau wo ick stand, kam se raus. Hab ick sie jefragt, ob ick sie mitnehmen kann, hab ihr meinen blauen Bademantel gegeben … bin nicht schneller als 40 gefahren. Damit sie sich nicht erkältet«.

Das Spielen mit Worten und Sprache, die Kunst der Reduktion sind die Markenzeichen von Wolfgang Kohlhaase, der sich an vielen Genres erfolgreich versucht hat. Ein Credo von ihm lautet: »Eine gute Geschichte lässt sich in einem Satz erzählen«. Auf den 12 DVDs mit insgesamt 13 Filmen kann man nicht nur sein Werk wieder sehen oder neu entdecken, sondern im reichhaltigen Bonusmaterial erfährt man viel über den Künstler Wolfgang Kohlhaase, über seine Haltung zu Filmen und Regisseuren, mit denen er gearbeitet hat, wie Gerhard Klein, Konrad Wolf oder Frank Beyer. Auf vielen der DVDs, auf denen sich natürlich auch so bekannte Filme der Siebziger und Achtziger wie »Ich war 19«, »Mama ich lebe« oder »Der Aufenthalt« finden, kommt Kohlhaase im Bonusmaterial in Interviews zu Wort. Der 12er-DVD-Box liegt auch das sehr unterhaltsame Buch »Um die Ecke in die Welt« bei, gespickt mit Texten und Anekdoten von Kohlhaase »über Filme und Freunde«, das auch separat beim Verlag Neues Leben erhältlich ist. Fast ein wenig versteckt hat sich der 13. Film der äußerst lohnenswerten DVD-Ausgabe: »Inge, April und Mai« von 1993, der sich als Bonusfilm auf der DVD seiner deutsch-deutschen Einbrecherkomödie »Der Bruch« (1988) mit Götz George, Otto Sander und Rolf Hoppe befindet. In dieser zweiten und letzten Regiearbeit von Wolfgang Kohlhaase geht es um das Kriegsende 1945 und erste Liebe. Es ist ein autobiografischer, kleiner Film, den es zu entdecken gilt, weil er durchaus charmant und bittersüß eine Art Coming of Age-Geschichte im DEFA-Look erzählt.

Wolfgang Kohlhaase. DEFA-Filme 1953-1988 Enthält u.a. »Berlin um die Ecke«, »Ich war 19«, »Mama ich lebe«, »Inge, April und Mai«. Anbieter: Icestorm

Bestellmöglichkeit (DVD-Box)

Bestellmöglichkeit »Um die Ecke in die Welt«

 

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