03/2017

In diesem Heft

Tipp

4. bis 9. April, Dortmund – Das Internationale Frauenfilmfestival ist eines der größten und bedeutendsten Frauenfilmfestivals weltweit, das abwechselnd in den beiden Städten stattfindet. In diesem Jahr in Dortmund: Neben dem Spielfilmwettbewerb ist der Fokus »IN CONTROL... of the situation« in diesem Jahr von der Künstlerin Niki de Saínt Phalle inspiriert und beleuchtet ihre aktuellen Bezüge. Die Sektion umfasst Filme aller Genres
28. März bis 2. April, Frankfurt – In seiner Jubiläumsausgabe dreht sich beim Frankfurter Lichter Filmfest alles um die »Wahrheit«. Global versteht sich. Im Wettbewerb findet man deshalb beispielsweise einen Spielfilm sowie Dokumentarfilm aus Argentinien. Dazu dreht sich in der neuen Sektion »Virtual Reality Storytelling« alles um das Erzählen in 360-Grad-Filmen
22. bis 25. März, Kiel – Seit 1993 werden in Kiel alljährlich die interessantesten neuen Filmproduktionen aus und über Schleswig-Holstein vorgestellt – rund vierzig Produktionen sind es in diesem Jahr. Neu ist ein Dokumentarfilmpreis, der dem Gewinner 1000 Euro bescheren wird. Es ist auch ein Dokumentarfilm, »Von Bananenbäumen träumen«, der das Festival eröffnet
15. bis 22. März, Regensburg – Insgesamt 117 Kurzfilme werden unter anderem im internationalen und deutschen Wettbewerb zur Sichtung angeboten. Das Lokalkolorit kommt dabei nicht zu kurz, denn im Bayern- und im Regionalfenster werden Produktionen aus Bayern, speziell Ostbayern, gezeigt. Ergänzt wird das Programm dieses Jahr zum ersten Mal durch die neue Kategorie »Architektur«
15. bis 20. März, Landshut – Ein breites Programm erwartet die Zuschauer dieses Jahr wieder in Landshut. Neben dem reinen, großen Kurzfilmwettbewerb kämpfen kurze Werke aus dem Horrorbereich um den Deadline Award; außerdem werden Dokumentarfilme prämiert
10. März bis 2. April, Wien – Auch im Österreichischen Filmmuseum widmet man sich dem deutschen Kino der Nachkriegszeit. Hier liegt der Fokus auf einem kaum erschlossenen Thema: Verfolgt wird die Spur, die der Noir-Film in der Bundesrepublik hinterlassen hat. Selten oder nie gezeigte Filme verschiedener Genres stehen auf dem Programm: Heimat (»Rosen blühen auf dem Heidegrab«) und Horror (»Die Nackte und der Satan«), Justizkrimi (»Der letzte Zeuge«), Straßenfilm (»Am Tag, als der Regen kam«) und mehr. »In diesem Kino findet man einige der wahrhaftigsten Bilder dieses Landes«, heißt es in der Ankündigung
4. bis 12. März, Nürnberg – Zum mittlerweile 22. Mal wird zum Dialog zwischen türkischem und deutschem Kino eingeladen. Neben Jurypreisen für Spielund Kurzfilme und einem Publikumspreis, wird auch der Öngören Preis für Demokratie und Menschenrechte vergeben, an Regisseure, die sich eingehend mit den Themen auseinandergesetzt haben. Ehrenpreise gehen an den Kameramann Jürgen Jürges und den Fotografen Ara Güler
21. Februar bis 31. März, Berlin – Die auf dem Filmfestival von Locarno im letzten Sommer lancierte Retrospektive zieht in verschiedenen Varianten durch die Lande und ist jetzt in Berlin angekommen. Das Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum lädt ein, sich eingehender mit dem »verkannten« deutschen Kino der Adenauerära zu beschäftigen. Neben kanonischen Werken aus den OEuvres Helmut Käutners oder Kurt Hoffmanns werden auch abseitigere und unbekanntere Filme gezeigt. Zusätzlich wird es Einführungen des Kurators Olaf Möller und zeitgenössische Arbeiten etwa aus den Sparten Animation oder Industriefilm geben
2. bis 20. März, Berlin – Nachdem das Filmfestival in Linz, »Crossing Europe«, ihr letztes Jahr schon eine Retrospektive gegönnt hatte, widmet nun auch das Berliner Arsenal Kino der tschechischen Dokumentarfilmerin Helena Třeštíková eine eigene Werkschau. Ihre Filme wurden ursprünglich fürs Fernsehen konzipiert, entfalten aber auf der Leinwand besondere Magie. Gezeigt werden Werke aus den letzten beiden Dekaden, aber auch Arbeiten aus den 80ern. Am 2. und 3. März ist die Filmemacherin persönlich im Kino anwesend
Chiron wächst in einer Sozialbausiedlung auf, seine alleinerziehende Mutter ist drogensüchtig, die Mitschüler drangsalieren ihn, weil er schmächtig und schüchtern ist und möglicherweise schwul. Eine Coming-of-Age-Geschichte, so weit entfernt von den erwartbaren Klischees der Blaxploitation-Gangster-Flicks, dass es an ein Wunder grenzt und zugleich eine Befreiung ist: endlich glaubwürdige (schwarze) Männer im Kino!

Thema

Unsere "steile These" des Monats März
Was für eine Reichweite er hat, der Josef Hader: vom Kabarett bis zum ganz stillen Auftritt als Stefan Zweig in »Vor der Morgenröte«. Jetzt hat der Österreicher seinen ersten Film selbst inszeniert: »Wilde Maus« lief im Wettbewerb der Berlinale
Alle reden von Trump . . . die nicht. Jetzt kommt »Der junge Karl Marx« ins Kino. Georg Seeßlen über linke Ikonen im Film – und warum sie so schwer fassbar sind
Allen Unkenrufen über den Tod des Blockbusterkinos oder der Autorenfilme zum Trotz verspricht 2017 eines der spannendsten Filmjahre der letzten Zeit zu werden. Wir stellen die wichtigsten Titel vor – von den sogenannten Tentpole- Filmen, auf die Hollywood seine Gewinnerwartung setzt,über die interessantesten Indie-Filme bis zu den spannendsten Projekten des europäischen und des Weltkinos
Sie hat selten in ganz großen französischen Filmen gespielt, weiß aber in jeder Nebenrolle zu glänzen. Ein bisschen auffallend ist sie sowieso, die große Dünne mit den blonden Haaren. Jetzt ist Sandrine Kiberlain in André Téchinés Jugenddrama »Mit siebzehn« zu sehen

Meldung

Das Sundance Film Festival ist ein Seismograph – für Newcomer und Trends im amerikanischen Film. In diesem Jahr spiegelte es aber auch die politische Stimmung der USA nach den Wahlen wider
Juliane köhler, 51, spielte in Aimee & Jaguar, Nirgendwo in Afrika und Das Blaue vom Himmel, ist oft im Fernsehen und spricht Hörspiele. Ihr neuer Film Der Hund begraben startet im März

Filmkritik

In der Provence der 50er Jahre wird die eigensinnige Gabrielle in die Ehe mit einem Saisonarbeiter gedrängt. Nicole Garcias Melodram »Die Frau im Mond« überzeugt durch altmodische Erzählqualitäten und eine exzellente Besetzung, aus der neben Marion Cotillard der Spanier Alex Brendemühl hervorsticht
Viel Rauch um gar nichts: Im Sequel zur erfolgreichen Kifferkomödie »Lammbock« von 2001 werden keine neuen Akzente gesetzt
Chiron wächst in einer Sozialbausiedlung auf, seine alleinerziehende Mutter ist drogensüchtig, die Mitschüler drangsalieren ihn, weil er schmächtig und schüchtern ist und möglicherweise schwul. »Moonlight« ist eine Coming-of-Age-Geschichte, so weit entfernt von den erwartbaren Klischees der Blaxploitation-Gangster-Flicks, dass es an ein Wunder grenzt und zugleich eine Befreiung ist: endlich glaubwürdige (schwarze) Männer im Kino!
»Wien vor der Nacht« ist ein etwas textlastiger dokumentarischer Essayfilm über die jüdische Geistesgeschichte Wiens nach 1900 – und den Antisemitismus in Österreich
In dem typischen Midlife-Crisis-Film »Der Hund begraben«, der die Ersetzbarkeitsängste seines bürgerlichen Antihelden thematisiert, hält sich Sebastian Stern an abgegriffenen Mittelklasseklischees und einem wenig subtilen Plot fest
Dokumentarfilm über das Kino »Alfred Talkies« im indischen Mumbai, wo Filme noch auf 35 mm vorgeführt werden und wo die Besitzerin, der Manager und der Plakatmaler trotz aller ökonomischen Zwänge immer weitermachen. »Original Copy« ist eine Hommage an das Kino als (Über-)Lebensmittel
In zwei gegenläufig verbundenen Fallgeschichten von Radikalisierung und Entradikalisierung junger Französinnen erforscht Marie-Castille Mention-Schaar die Mechanismen der IS-Rekrutierung ebenso einfühlsam wie eindringlich auf einem schmalen Grat zwischen Dokumentation und Fiktion: »Der Himmel wird warten«
Betont langsam erzählt Lars Henning in seinem Kinodebüt »Zwischen den Jahren« von einem Zweifachmörder, der nach seiner Haftentlassung Opfer seines eigenen Verbrechens wird. Eine beklemmende Geschichte um Rache und Sühne
Das skurrile Roadmovie »Tour de France« über den Trip eines rassistischen Rentners mit einem arabischstämmigen Rapper erhebt sich dank der Darsteller und einer poetisch verspielten Inszenierung über die plumpen Politbotschaften
Von dem, was Baran bo Odar im deutsch sprachigen Raum zum Vorzeigeregisseur für Genrekino gemacht hat, ist in seinem US-Debüt leider kaum etwas zu sehen. »Sleepless« ist ein uninspirierter Standardactionthriller mit erwartbarem Plot und prominentem, aber unter seinen Möglichkeiten bleibendem Ensemble
Erschütternder Dokumentarfilm über die Rettungsarbeit der »Weißhelme« im syrischen Aleppo während der Besatzung durch Regierungstruppen. »Die letzten Männer von Aleppo« ist ein äußerst gekonnt strukturierter, aber stellenweise auch maximal emotionalisierender Film
Ein Loser verguckt sich in ein hippes Model – wenn der Film nicht in Saudi-Arabien spielen würde, wäre es eine »romantic comedy«, so aber ist Mahmoud Sabbaghs Debütfilm »Barakah Meets Barakah« eine liebevolle Groteske über eine Verbotsgesellschaft ohne öffentlichen Raum
»Certain Women« vereint drei Geschichten über Frauen, die in der Winterkälte Montanas erschöpft sind von der kontinuierlichen Enttäuschung, die das Nicht-anerkannt-Werden bedeutet. Aufmerksam und empathisch beobachtet von Reichardt, die die spezifisch weibliche Lebenserfahrung alltäglicher Frustration weder wehleidig noch aggressiv in Szene setzt
Regisseurin Nicola Graef (»Ich. Immendorf«) gelingt in ihrem klugen Porträt des deutschen Künstlers Neo Rauch das Kunststück engagierter Nähe ohne Anbiederung. Dem Publikum bleibt ausreichend Raum zum Selberdenken
Mit stoischer Zielstrebigkeit erkämpft sich eine Ukrainerin ihren Traum vom eigenen Frisiersalon. In seinem Spielfilmdebüt »Marija« destilliert Michael Koch das berührende Porträt einer Kämpferin aus einer sozialrealistischen Milieustudie im Dortmunder Migrantenkiez Nordstadt
»Life Saaraba Illegal« ist ein Dokumentarfilm, der zwei Brüder aus dem Senegal über zehn Jahre bei ihrem Kampf um ein besseres Leben im gelobten Land Europa beobachtet
Der Titel verweist auf Arthur Rimbauds Diktum, man sei nicht ernsthaft mit siebzehn Jahren. Aber »Mit siebzehn« dementiert es mit wachsam zärtlichem Blick. Vor der Kulisse eines abgeschiedenen südfranzösischen Tals erzählt André Téchiné von den Umbrüchen im Leben zweier anfangs verfeindeter Jungen, die ihre Liebe zueinander entdecken
Drei Jahre nach ihrem Mutter-Film »Die mit dem Bauch tanzen« widmet sich Carolin Genreith nun dem Vater, der zu ihrem Entsetzen eine junge Thailänderin heiraten will. »Happy« hat den gleichen jugendlichen Nöl-Ton, leider aber noch weniger Selbstreflektion
Ein auf einer einsamen Insel gestrandeter Schiffbrüchiger sieht sich mit einer großen roten Schildkröte konfrontiert. »Die rote Schildkröte« ist ein außergewöhnlicher, minimalistischer und parabelhafter Animationsfilm, der ganz ohne Dialoge auskommt und den Zuschauer auf eine meditative Reise mitnimmt
Eine Journalistin bereist Griechenland, um Recherche zur europäischen Abschottung zu betreiben. »Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen« ist ein unausgegorenes Dokudrama
Dem ehemaligen Großkritiker Georg Endl gerät sein Leben durcheinander. Josef Hader hat mit »Wilde Maus« seinen ersten Film als Regisseur gedreht, eine schwarzhumorige Komödie. Wer den Kabarettisten und Schauspieler bisher mochte, wird auch diesen Film lieben
Storms Abenteuer in Antwerpen vor dem Hintergrund der Reformationszeit führen die Dramatik der Zeit um Inquisition und Verfolgung vor Augen. Es geht um Leben und Tod für diejenigen, die sich Luther anschließen wollen: »Storm und der verbotene Brief«
Enttäuschendes Sequel zur Bestsellerverfilmung »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand«. Die fehlende Romanvorlage für die Fortsetzung erklärt, aber entschuldigt nicht die mangelnde Substanz des Drehbuches, das hektisch Ort und Zeitebenen wechselt und dabei zunehmend seine originelle Hauptfigur aus dem Blick verliert
Die Freundschaft zweier 13-jähriger Jungen wird durch die Konflikte ihrer Eltern auf eine harte Probe gestellt. Ira Sachs erzählt in »Little Men« diese vermeintlich kleine Geschichte mit so viel Gespür, dass sie zum Spiegel unserer Welt wird
Das letzte Kapitel der Wolverine-Geschichte ist das ruppigste: Schwer angeschlagen prügelt sich Hugh Jackman in »Logan« durch eine Welt, die für Superhelden nichts übrig hat
Ein junger Priester wird im Japan der Christenverfolgungen des 17. Jahrhunderts mit den Grenzen seines Glaubens konfrontiert: Martin Scorsese gelingt in seinem exzellent fotografiertem Film »Silence« das Kunststück eines tiefreligiösen Dramas, das zugleich (unfreiwillige?) Religionskritik übt
Dokumentation über die Aufrüstung der US-Polizei, die sich mehr und mehr in eine Armee im eigenen Land verwandelt. Regiedebütant Craig Atkinson agiert in »Do Not Resist« investigativ wie Michael Moore und schärft trotz handwerklicher Schwächen den Blick für die Komplexität der Zusammenhänge
Mit seiner epischen Erzählung macht Lasse Hallströms gediegene Bestselleradaption »Bailey – Ein Freund fürs Leben« deutlich, warum das Leben hundsgemein sein kann
Danny Boyle meint es ernst mit seinem Sequel »T2 Trainspotting«. Nicht als kommerzielles Projekt, um an den Kassenerfolg von 1996 anzuknüpfen, sondern als Anlass, um voll Neugier und Mitgefühl nachzuschauen, wie seine Helden von damals mit dem Verlust von Jugend, Energie und Möglichkeiten fertigwerden
In dem Remake »Schatz, nimm Du sie!« geht mit grobmotorischen Charakteren und entschärften Episoden der satirische Witz des Originals – in dem scheidungswillige Eltern ihre Kinder aus Karrieregründen zu vergraulen versuchen – weitgehend verloren
Den politischen Diskurs kann Raoul Pecks Biopic »Der junge Karl Marx« durch seine ernsthafte, aber keineswegs hagiografische Auseinandersetzung mit Marx vielleicht befruchten. Ästhetisch kommt er aber nur in den wenigsten Szenen über biederes Kostümkino hinaus
Im zweiten Teil der Saga um den von Keanu Reeves gespielten Profikiller John Wick setzt Regisseur Chad Stahelski seine Ideen von einem Actionkino, das konsequent mit den heutigen Inszenierungskonventionen des Genres bricht, noch konsequenter um
Bei Nacht zu leben und am Tag zu schlafen: So lautet in Dennis Lehanes Roman das Versprechen auf die Freiheit, das sich während der Prohibition im Leben als Gangster erfüllen soll. Diesmal wird nicht Whisky, sondern Rum geschmuggelt. Ansonsten folgt Ben Afflecks Verfilmung »Live by Night« fantasiearm der rabiaten Folklore des Genres, das keine Gewinner, sondern allenfalls Überlebende kennt

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