Interview: Pablo Berger über »Robot Dreams«

Pablo Berger (2013)

Pablo Berger (2013). Foto: Arcadia Motion Pictures from Barcelona, España (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pablo_Berger_2013.jpg), „Pablo Berger 2013“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode

Herr Berger, die Buchvorlage von Sara Varon scheint in anderen Ländern populärer zu sein als in Deutschland – hierzulande ist die 2008 unter dem Titel »Robo und Hund: Wahre Freundschaft rostet nicht« erschienene Ausgabe vergriffen, antiquarisch nicht zu bekommen und in ganz Berlin ist das Buch gerade mal in nur drei Öffentlichen Bibliotheken vorhanden...

In den USA ist das Buch sehr bekannt, es taucht regelmäßig auf Bestsellerlisten auf, Oprah Winfrey stellte es in ihrem Buchclub vor. Vor 15 Jahren versuchte sogar ein großes Animationsstudio, Blue Sky (vor allem bekannt für die »Ice Age«-Reihe), eine Verfilmung in Gang zu setzen.

Haben Sie versucht herauszufinden, warum der Animationsfilm von Blue Sky nicht zustande kam?

Nein, aber ich habe ja zehn Jahre lang in den USA gelebt, so weiß ich, dass die meisten Filmprojekte schon im Planungsstadium gecancelt werden. Sara Varon hat mir erzählt, dass das Studio damals mit ihr in Kontakt trat. 

Wie sind Sie selber auf das Buch gestoßen? 

Ich bin ein Sammler von graphic novels ohne Dialoge, auch von entsprechenden Kinderbüchern. Davon besitze ich einige Hundert. Ich hörte von dem Erfolg dieses Buches und las es 2010. Es wurde eines meiner Lieblingsbücher innerhalb meiner Sammlung.

Wie viel gab Ihnen das Buch für den Film vor? Wie viel fügten Sie hinzu oder ließen weg? Ich nehme an, das Buch funktionierte auf jeden Fall als Richtschnur?

Das tat es. Mir gefiel das Thema der Freundschaft und besonders das Ende. Das sollte auf jeden Fall im Film so erhalten bleiben. Ich hatte das Glück, dass Sara Varon mir freie Hand ließ, sie mischte sich nicht in meine künstlerischen Entscheidungen ein, aber wir besprachen das Drehbuch, sie besuchte die Dreharbeiten in Spanien und wir stellten den Film gemeinsam beim Festival in Toronto vor. Das Buch beginnt mit der Anlieferung des Roboters, es gibt keine Enführung des Hundes, dessen Einsamkeit ich ja zu Beginn zeige. Vor allem aber gibt es kein New York in der Buchvorlage. Es ist einfach eine nordamerikanische Großstadt. Die Figuren sind vergleichbar, werden im Buch aber nur knapp umrissen, während der Film sich viel mehr Zeit lässt. Im Buch gibt es einen Strand, aber unser Strand ist der Boardwalk von Coney Island. Die letzten beiden Seiten des Buches bestehen aus acht Zeichnungn, im Film dauert das acht Minuten.

Mussten Sie auch etwas weglassen?

Vieles! Ich habe sogar einige Szenen animiert, die dann am Ende wieder wegfielen. Es sind nun einmal zwei verschiedene Medien: eine graphic novel wird von einem einzigen Künstler geschaffen. Der – wie in diesem Fall – ein Jahr lang daran arbeitet; bei einem Film besteht das Team aus vielen Menschen, die hier fünf Jahre lang daran gearbeitet haben, das eine ist ein akustisches Stück, das andere ein großes Orchester.

Wie weit ist das New York, das Sie zeigen (und das nur von Tieren bevölkert ist) beeinflusst von den zehn Jahren, die Sie in der Stadt lebten, und wie weit ist es ein New York of the Mind, ein Stück kollektiver Imagination?

We schon gesagt, kommt New York in der Buchvorlage nicht vor, für mich dagegen sollte es der dritte Protagonist des Films sein. Hund, Roboter und New York – und die New Yorker. Ich ging damals nach New York, um dort an der NYU Film zu studieren. In New York wurde ich nicht nur Filmregisseur, sondern auch erwachsen. Ich war der einsame Hund, ich verliebte mich, mein Herz wurde gebrochen, ich verliebte mich wieder, ich fand Freunde und verlor sie wieder. Diese zehn Jahre waren ein Schlüssel für mich als Person. So war dies für mich eine Möglichkeit, einen sehr persönlichen Film zu machen, auch wenn die Geschichte nicht von mir stammte – ich würde sagen, von all meinen Filmen ist dies mein persönlichster: es geht um meine Obsessionen, was ich an high culture und low culture mag, Popkultur und Kino, was ich über Beziehungen denke – all das ist im Film. 

Sind Sie zur Vorbereitung noch einmal in das heutige New York zurückgekehrt oder wollten Sie eher Ihre Erinnerungen konservieren?

Die Vorproduktion des Films begann während der Pandemie, so konnten wir nicht nach New York reisen, um dort locations zu studieren. Vieles kommt also aus meinem Gedächtnis, aber auch aus Fotobüchern, auch aus Videos, die wir auf YouTube gefunden haben. Bei dieser Arbeit war ich nicht allein, meine engste Mitarbeiterin ist meine Ehefrau Yuko Harami – sie lebte zehn Jahre lang zusammen mit mir in New York; auch der Art Director José Luis Ágreda hatte einen Anteil daran, dieses New York des Films zu erschaffen. Es sollte sich real anfühlen. Natürlich ist es stilisiert, weil es gezeichnet ist, aber alles sollte so real sein, dass Menschen, die den Film sehen, eine Zeitreise in das New York der achtziger Jahre unternehmen. Auch, wenn man selber nicht dagewesen ist, hat man doch das Gefühl, diese Stadt aus dem Kino zu kennen, das New York vor der Globalisierung als das Zentrum der Welt.

Was haben die New Yorker selber zu dem Film gesagt? Ich nehme an, Sie habe den Film dort mit Publikum gesehen...

Unser amerikanischer Verleih hat dort mehrere Sondervorführungen gemacht, bei denen mir das Publikum das Gefühl gab, ich habe es richtig gemacht. Das war uns auch wichtig, hätten wir das nicht hinbekommen, hätte uns das sehr verletzt. 

Die vielen Songs, die im Film vorkommen, entstammen ebenfalls alle Ihrer Erinnerung? 

Nicht alle. Das Hauptthema ist »September« von Earth, Wind & Fire, ein Song aus meiner Zeit als Teenager, ich liebte diesen Song. Ich benötigte einen Song für Robo und den Hund und zwar einen, zu dem man rollerskaten konnte. Denn das erste Mal, dass die beiden den Song hören, ist, als sie im Central Parlk rollerskaten. Dieser Song kam aus meinen Erinnerungen und fand sich schon in der ersten Fassung des Drehbuchs. Die restlichen Songs haben wir allerdings erst ausgesucht, als wir uns schon in der Produktion befanden. Mein Musikeditor hat mir viele vorgeschlagen – unter anderem einen Song der Ramones. Dazu meinte allerdings der Musical Supervisor, das sei zu teuer, ich hätte fast das gesamte Musikbudget schon für »September« aufgebraucht. Warum nehmen wir nicht lieber Songs von New Yorker Bands, die zu der Zeit aktiv waren? Einige davon waren Klassenkameraden der Ramones! Wir hatten aber auch Hip Hop drin, lateinamerikanische Musik, New Wave und eben Punk Rock. Die Musik ist ziemlich eklektisch, aber das ist New York schließlich auch. Straßenmusik gehört ebenfalls dazu, etwa der Oktopus, der in der Subway Drums spielt. Wenn ich an New York denke, denke ich an Jazz. Der Komponist Alfonso del Vilallonga hat mit mir bei all meinen früheren Filmen zusammengearbeitet, entsprechend eng ist unsere Beziehung. Er komponierte diese kleinen Pianostücke für ein Quartett.

Die Zeichnungen wirken sehr einfach, aber die Emotionen, die sie transportieren, sind gewaltig – ich denke nur an das Aufwachen von Robo aus einem Traum, der zu schön war, um wahr zu sein, und ganz besonders das Ende mit der Spannung, wie die Geschichte nun ausgehen wird. 

Dies ist zwar mein erster Animationsfilm, aber mein vierter Film insgesamt. Ich habe versucht, meine Erfahrungen im Geschichtenerzählen ebenso wie meine Erfahrungen mit Schauspielern auf die animierte Welt zu übertragen. Wenn ich von meinen Schauspielern gute darstellerische Leistungen bekommen konnte, dann genauso von den animierten Figuren. Für mich als Regisseur war das eine sehr ähnliche Arbeit, ich fühlte nicht die großen Unterschiede zu einem live action film – man muss einfach sehr geduldig sein, was manchem Regisseur schwerfällt. Ich bin ein sehr geduldiger Regisseur, ich habe nur vier Filme in 25 Jahren gedreht, bei mir köchelt etwas extrem lange. Ich bin Autor und Regisseur, für mich muss alles im Drehbuch stimmen. Bei einem Animationsfilm gibt es einen Schritt zwischen Drehbuch und Film, das ist das Storyboard, ein detaillierteres Drehbuch. An diesen Animatics haben wir anderthalb Jahre lang gearbeitet. So wusste ich, bevor wir die Finanzierung zusammen hatten, dass der Film funktionieren würde. 

War es eine schwierige Entscheidung, welchen Tieren im Film unsympathische Rollen zufallen sollen? Ich denke dabei an die Schweinchen im Boot und an die Punk-Affen. 
 
Das war nicht so schwierig, denn die kamen bereits in der Vorlage vor. Aber das sind nur die wichtigere Figuren, im Film mussten wir ja noch Tausende von New Yorkern unterbringen. Das hat dem Animationsteam ein großes Vergnügen bereitet, wir haben Bücher mit Tausenden von Skizzen. Die würde ich gerne als Buch veröffentlichen: Robot Dreams' New Yorkers. Jedes mögliche Tier kommt darin vor. Ich selber habe eine Schwäche für den Schlagzeug spielenden Oktopus, den ich bereits erwähnte. Der kommt im Buch nicht vor, und bei der Szene auf dem Schrottplatz haben wir es dort mit einem menschlichen Charakter zu tun – aus dem wir ein Krokodil und ein kleines Krokodil als dessen Sohn gemacht haben. Ein großer Unterschied besteht auch in der Szene mit den Vögeln, die ebenfalls zu meinen Favoriten zählt. Im Buch gibt es keine Verbindung zu einem der Vögel.

Sie haben mit jedem Film etwas Neues ausprobiert, bei »Blancanieves« mit dem Schwarzweiß, hier mit Animation und dem Verzicht auf Dialoge. Dürfen wir, nachdem dieser Film bei Publikum und Kritik offenbar einen Nerv getroffen hat, trotzdem auf einen weiteren Animationsfilm von Ihnen hoffen?

Ich hoffe doch – ich glaube, ich hatte einen Animationsregisseur in mir ohne dass ich davon wusste. Wie gesagt, ich bin sehr geduldig und liebe Details. Für mich war dies jedenfalls eine sehr befriedigende Erfahrung. In gewisser Weise fühle ich dabei Guillermo del Toro sehr nahe, der gesagt hat, Animation sei kein Genre, sondern eine Möglichkeit, eine Geschichte zu erzählen. Wenn also eine Geschichte danach schreit, als Animation erzählt zu werden, würde ich es wieder machen. Aber als Regisseur versuche ich, mein Publikum zu überraschen, genauso wie mich selber.

Sie haben selber die großen Abstände zwischen Ihren Filmen erwähnt. Haben Sie diese Zeiten immer mit Unterrichten überbrückt?

Mein erster Film, der in Deutschland den Titel »Die Torremolinos Homevideos« trug, kam 2003 heraus, er war in Spanien ein großer Erfolg, es gibt sogar ein chinesisches Remake davon, das ebenfalls erfolgreich war. Aber als ich danach einen Film mit größerem Budget in Schwarzweiß und ohne Dialoge machen wollte, dachten alle, ich sei verrückt geworden. Entsprechend dauerte es sieben Jahre, bis er zustande kam. Der war dann ebenfalls ein großer Erfolg, kam in vielen Ländern ins Kino, wurde für den Oscar eingereicht und bei den Goyas vielfach ausgezeichnet. Wie gesagt, ich habe eine große Geduld.

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