Kritik zu Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen

© Grandfilm

2016
Original-Titel: 
Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen
Filmstart in Deutschland: 
16.03.2017
L: 
76 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Dokudrama über eine fiktive Journalistin auf Recherche im von der Migrationskrise geschüttelten Griechenland

Bewertung: 2
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»Ich mach Urlaub... und Recherche. Ich schreib' über Außengrenzen, Migration und Sicherheitstechnik«, erklärt die Journalistin Lena (Nina Kronjäger) vage den Zweck ihrer ausgedehnten Griechenlandreise. Sie ist die Hauptfigur in »Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen«, dem neuen Film der Experimentalfilmerin Tatjana Turanskyj und ihrer Co-Regisseurin Marita Neher. Ebenso vage wie die Selbstbeschreibung seiner Protagonistin bleibt auch der Film: Ohne erkennbare Plotstruktur, in Ziel oder Anliegen folgen die Regisseurinnen der fiktiven Reporterin bei ihren Begegnungen mit teils »echten«, teils gespielten Interviewpartnern: Köchinnen im Flüchtlingscamp, Grenzlandbewohner, Funktionäre der Rüstungsindustrie.

Mit letzteren beginnt der Film: Lena nimmt am bierseligen Betriebsausflug einiger deutscher Sicherheitslobbyisten teil. Während sie moralische Fragen nach ertrunkenen Refugees im Mittelmeer stellt, ziehen sich die betrunkenen Männer im Hintergrund grölend Hemden und Hosen aus. Solche surrealen Überspitzungen sucht man im weiteren Verlauf des Films leider vergebens – mit Ausnahme einer kurzen Szene, in der die Männer erneut als nackte »Götter des Olymps« auftreten. Davon abgesehen zeichnen die Regisseurinnen ein mehr als sprödes Bild von Lenas investigativem Roadtrip: Die griechische Landschaft ist in gräuliche, monochrome Farben getaucht und fliegt in langen, verwackelten Einstellungen am Zuschauer vorbei.

Auch mit Einführung der zweiten Hauptfigur, Amy (Anna Schmidt), gewinnt »Orientierungslosigkeit...« kaum an Dynamik. Amy ist eine, laut Pressetext, »post-adoleszente« Aktivistin, die gerade ihren Master gemacht hat und auf Kosten ihrer Eltern in humanitärer Mission durch Griechenland geistert. Warum sie von der beinahe 40-jährigen Anna Schmidt verkörpert wird, bleibt ein Rätsel, deuten doch die Dialoge an, dass die Figur in etwa Ende Zwanzig sein soll. Nicht nur aus diesem Grund ist die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen kaum vorhanden; ihre anscheinend halb improvisierten Dialoge wirken durchgehend hölzern und unglaubwürdig. Besonders, dass Lena seit über zwanzig Jahren journalistisch tätig sein soll, nimmt man Nina Kronjäger zu keinem Zeitpunkt ab. So besteht etwa ihr einziger Versuch, mit Geflüchteten ins Gespräch zu kommen, darin, sich auf den Hügel neben einem Flüchtlingscamp zu stellen und zu rufen: »I'm a journalist. Where are you from?«

Obwohl »Orientierungslosigkeit« mit siebzig Minuten Laufzeit für einen Kinofilm eher kurz ausfällt, scheint er zu lang. Als etwa zwanzigminütiges Kurzfilm- oder Installationsprojekt hätte die Idee durchaus funktionieren können. So aber sorgen die ausgedehnten, ereignislosen Fahrszenen schnell für Langeweile. Bedenkt man zudem, welch reflektierte und komplexe Auseinandersetzungen zum Thema Migration in den vergangenen Jahren sowohl im Dokumentarfilm- als auch im narrativen Bereich erschienen sind, wirkt Turanskyjs und Nehers Projekt besonders unausgegoren.

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