Kritik zu Marija

© Real Fiction Filmverleih

Der Schweizer Regisseur Michael Koch erzählt in seinem Spielfilmdebüt vom Kampf einer Migrantin in Dortmund um ein besseres Leben

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Ganz nah dran ist die Kamera an der Titelheldin, wenn sie sich stoisch ihren Weg durch die Dortmunder Nacht bahnt, in ein heruntergekommenes Treppenhaus und eine schummrige Wohnung, wo sie im Bad erst mal einen Eimer ausleeren muss, der von der Decke tropfendes Wasser auffängt. Wie sie die junge Frau in den Blick nimmt, sich von ihr mitziehen lässt, wird sie zum visuellen Ausdruck von Marijas Tunnelblick. In der Hoffnung auf ein besseres Leben ist Marija aus der Ukraine geflüchtet, nun lebt sie in Dortmund und arbeitet für vier Euro die Stunde als Zimmermädchen in einem Hotelkomplex. »Das Schlimmste ist, dass man gar nicht gesehen wird, wenn man putzt«, sagt sie, als sie erstmals einem der Menschen vertraut, denen sie auf ihrem Weg zum großen Traum, dem eigenen Frisiersalon, begegnet.

Wie fühlt es sich an, sich in einem fremden Land einzuleben? Sich gegen alle Widerstände und Rückschläge eine Existenz aufzubauen? Das Spielfilmdebüt des Schweizer Autorenregisseurs Michael Koch basiert auf genauen Recherchen in jenem Milieu, in dem er auf einem schmalen Grat zwischen Fiktion und Dokumentation auch gedreht hat, zum Teil mit Laiendarstellern. Die Titelheldin wird von Margarita Breitkreiz gespielt, die zu den vielen beeindruckenden Schauspielern gehört, die seit Jahren aus der Ernst-Busch-Schauspielschule kommen. Seit ihrem Abschluss 2006 hat sie stetig an Castorfs Volksbühne, im Fernsehen, in Hörspielen und Filmen gearbeitet. Als Zwölfjährige ist die gebürtige Russin mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen, dürfte also auch mit dem Gefühl des Fremdseins vertraut sein. Ihre Marija wirkt zäh, verschlossen und unnahbar – und lässt doch all die unterdrückten Gefühle durchschimmern.

Marija hat gelernt, die Dinge nicht an sich ranzulassen, zum Beispiel wenn der massige türkische Vermieter Cem kommt, um sein Geld einzutreiben, kurz nachdem sie wegen eines kleinen Diebstahls den Job im Hotel verloren hat. Einen Moment lang zögert sie, lotet ihre Möglichkeiten aus, bevor sie sich mit pragmatischer Entschlossenheit vor ihm hinkniet, ihm den Hosenschlitz öffnet und zur Tat schreitet. Fortan wird er ihr kleine Jobs zukommen lassen, als Übersetzerin der Illegalen, die er für 150 Euro pro Woche und Bett in trostlose Wohnungen pfercht. So lernt sie bald auch Georg (Georg Friedrich) kennen, der mit den Illegalen auf dem Bau Geschäfte macht. Der Film konzentriert sich auf Marija, nimmt aber mit ihren Augen en passant jede Menge andere Eindrücke über den harten, demütigenden Migrantenalltag mit.

Von ihrem Ziel lässt sich Marija nicht so leicht abbringen. Und doch entwickeln sich zwischen Georg und ihr zarte Bande. Ein paar Momente lang verlieren Marijas Züge die stoische Härte, ihre Bewegungen die mechanische Zielstrebigkeit. Ganz kurz nur hellt sich ihr Gesicht auf, flackert in ihren Gesten eine verspielte Leichtigkeit auf, bevor sie sich wieder verschließt. Gefühle und Beziehungen sind ein Luxus, der mit ihrem Traum von einer besseren Zukunft kollidiert.

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