10/2017

In diesem Heft

Tipp

Mit »Das Verschwinden« hat Hans-Christian Schmid eine beeindruckende Miniserie gedreht, die mit viel Geduld ein Gespinst von Beziehungen in einer fränkischen Kleinstadt entwirrt
18. bis 21. Oktober, Berlin – Bis Ende November widmet das Arsenal Kino dem vor drei Jahren verstorbenen Filmemacher Harun Farocki eine Retrospektive. Begleitend dazu versammelt das Haus der Kulturen der Welt unter dem Titel »Farocki Now: A Temporary Academy« an vier Tagen Mitte Oktober Workshops, Präsentationen und Debatten über den Filmemacher
13. bis 16. Oktober, Köln – Filmschnitt und Montagekunst stehen im Mittelpunkt dieses Kölner Festivals. Seit 2001 bietet Filmplus Editoren eine Plattform für Präsentation und Diskussion. Prämiert wird beim Festival die beste Schnittleistung in einem deutschen oder österreichischen Kinospielfilm sowie Dokumentarfilm
13. bis 15. Oktober, Mannheim – Die 3D-Technologie begleitet den Film schon seit seinen Anfängen. Dem besonderen Seherlebnis widmet sich das 32. Mannheimer Filmsymposium. In acht Vorträgen gehen Wissenschaftler und Filmschaffende den Schwerpunkten Ästhetik, Geschichte, Technik und der Zukunft von 3D auf den Grund
4. bis 8. Oktober, Rügen – Zwischen Yachthafen, Seebrücke und Museumswerft entsteht ein neues Filmfestival im Norden: Vier Tage lang erobern Spiel- und Dokumentarfilme aus sämtlichen Ostsee-Ländern die Kinosäle entlang der Badeorte auf Rügen
3. bis 8. Oktober, Berlin – Zu seinem 80. Geburtstag widmet das Kino Babylon in Berlin dem Regisseur Peter Fleischmann eine Retrospektive. Acht Filme aus vier Jahrzehnten von »Herbst der Gammler« von 1967 bis »Deutschland, Deutschland« aus dem Jahr der Wiedervereinigung bieten einen Überblick über das Werk eines der wichtigsten Vertreter des Neuen Deutschen Films
1. bis 7. Oktober, Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden – Das älteste Festival für junge Zuschauer feiert in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag – unter neuer Leitung mit modifiziertem Konzept. LUCAS versammelt aktuelle Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilme aus der ganzen Welt in mehreren Reihen für Kinder und Jugendliche. Zur Jubiläumsausgabe wird eine Reihe zudem zurückblicken auf die Höhepunkte aus den vergangenen Jahrzehnten
28. September bis 8. Oktober, Zürich – Internationale Stars, Filmproduktionen renommierter Filmemacher und Entdeckungen bietet das Filmfest am Züricher See. Ehrengast Jake Gyllenhaal stellt »Stronger«, den neuen Film von Regisseur David Gordon Green vor. Die Reihe »Neue Welt Sicht« widmet sich dem gerade aufblühenden ungarischen Kino
Mit listiger Ironie zeichnet Ruben Östlund in »The Square« das Porträt eines Museumskurators, dessen behagliches Leben aus den Fugen gerät, als ihm Brieftasche und Handy gestohlen werden. Der Gewinner der diesjährigen Goldenen Palme in Cannes stellt Fragen nach persönlicher und gesellschaftlicher Verantwortung, auf die er keine entlastenden Antworten findet
am So., den 15.10. in Frankfurt am Main – epd-Film-Autorin Claudia Lenssen spricht mit der Regisseurin Helene Hegemann über »Axolotl Overkill«

Thema

Regisseur Ruben Östlund hat ein feines Gespür für das, was an ­unseren sozialen Übereinkünften nicht stimmt. Kombiniert mit technischer Brillanz ergab das eine Goldene Palme: für »The Square«, jetzt im Kino. Patrick Seyboth über Östlunds Filme
Können die Deutschen großes Serienfernsehen? »Babylon Berlin«, inszeniert von Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries, soll es beweisen. Der beispiellos aufwendige 16-Teiler führt in die späten Zwanzigerjahre zurück
Es begann alles so gut gelaunt, in »Jalla! Jalla!«. Dem internationalen Publikum ist der Schwede Fares Fares aber vor allem als Dunkelmann oder Cop in Thrillern, Actionfilmen und Jussi-Adler-Olsen-Krimis bekannt
Sie sind bunt, sie sind grell, sie haben mehr Plotwindungen als »Game of Thrones«, und oft kommen Geister vor. Japanische Anime-Serien haben auch bei uns ihre Marktnische. Warum es sich lohnen könnte, da mal hinzuschauen
Lang hat es gedauert: Im Oktober kommt »Blade Runner 2049« ins Kino, die Fortsetzung eines der einflussreichsten Science-Fiction-Filme der postklassischen Ära. ­Georg Seeßlen hat sich das Original von Ridley Scott wieder angeschaut

Meldung

Damals machte man sich Sorgen um Finnlands Ruf im Ausland
Der anarchistische Narr
Die Attraktion des Festivals von Locarno sind die Vorführungen auf der Piazza Grande – doch das Kernstück bleibt der dem Nachwuchs verpflichtete Wettbewerb
74. Filmfestival von Venedig: In einem starken Wettbewerbsjahrgang mussten zwangsläufig einige der besten Filme bei der Löwenvergabe leer ausgehen

Filmkritik

Die kongolesische Nachtclubsängerin Félicité ist verzweifelt auf der Suche nach Geld, um die Operation ihres Sohnes zu bezahlen. Musikalisches Porträt einer starken Frau sowie ihrer Stadt, Kinshasa, das mehr und mehr traumartige Züge annimmt
Mit seinen expliziten Zeichnungen hypermaskuliner Männerkörper hat der finnische Künstler Touko Laaksonen die Schwulenbewegung der 60er und 70er Jahre nachhaltig geprägt. Entsprechend feiert Dome Karukos­ki die Kunst in seiner mitreißenden Filmbiografie »Tom of Finland« als befreiende Kraft, die Menschen inspirieren und die Welt verändern kann
Dem Film gelingt zweierlei: Er zeichnet das Porträt der Musikproduzentenlegende Conny Plank und spiegelt den Annäherungsprozess des Sohnes und Regisseurs Stephan Plank an den früh gestorbenen Vater
Bestürzend unlustige deutsche Komödie, die in neue Dimensionen der Vorhersehbarkeit vordringt
Düsterer Dirty-Cop-Thriller, der – dramaturgisch nicht immer kohärent – ein eindrückliches Bild vom korrupten Mubarak-Regime und der gesellschaftlichen Situation im vorrevolutionären Ägypten zeichnet
Zwei Jahre nach Kurt Langbeins »Landraub« kommt mit »Das grüne Gold« ein weiterer Dokumentarfilm zum Thema Landgrabbing, der den global bedeutsamen Stoff überzeugend und konzentriert als Reportage aus einem einzigen nur scheinbar entlegenen Ort im äthiopischen Westen entwickelt
Der Untergang einer Bauunternehmersfamilie, von Michael Haneke als raffiniertes Spiel mit Verweisen aufs eigene Werk inszeniert: »Happy End« ist unerbittlich wie immer, aber farcenhaft leicht wie noch nie
Es
Die Verfilmung von Stephen Kings berühmtem Horrorroman »Es« aus dem Jahr 1986 ist ­vorzüglich besetzt und entpuppt sich als ein gelungenes Amalgam aus Gruselschocker und Jugenddrama mit Tiefgang
Nach »Philomena« arbeitet Judi Dench in »Victoria & Abdul« zum zweiten Mal mit Stephen Frears zusammen und glänzt nach John Maddens »Ihre Majestät Mrs. Brown« erneut als Queen Victoria, die durch einen Bediensteten zu rebellischer Lebenslust findet. Allein es fehlt der Biss, der diese liebenswerte Geschichte zu mehr als einer nebensächlich amüsanten Episode machten könnte
Zwei Halbbrüder, die einander eigentlich gar nicht kennen, unternehmen eine Bootsfahrt flussaufwärts, um an jenen Ort zu gelangen, an dem der gemeinsame Vater unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen ist. Unterwegs vollzieht sich eine Annäherung der beiden eher verschlossenen, ein wenig misstrauischen, tatsächlich vom Vater verwundeten Männer. »Stromaufwärts« ist ein ruhiger, karger Film, der die narrative Ellipse mit ergreifendem Schauspiel füllt
Lightning McQueen, der aufstrebende Rennwagenchampion aus »Cars«, sieht sich in dieser Fortsetzung, die elf Jahre später an das Original anknüpft, mit jüngeren Konkurrenten konfrontiert. Ohne die Vielschichtigkeit der besten Pixar-Animationsfilme ist hier ein eher schlichter, aber dennoch anrührender Film entstanden
Mit ihrem stimmig inszenierten Dokumentarfilm »Mein Leben – Ein Tanz« macht Lucija Stojevic am Beispiel von »La Chana« die Tragik einer begnadeten Tänzerin spürbar, die sich in ihrem Leben nicht zu entfalten vermochte
In Tommy Wirkolas düsterer Zukunftsvision »What Happened to Monday?« schlüpft die Schwedin Noomi Rapace so überzeugend in sieben verschiedene Frauenrollen, dass man die komplizierte Filmtechnik, die dies ermöglicht, völlig vergisst
Sympathische Komödie um drei Frauengenerationen in einer Familie, der man an manchen Stellen etwas mehr Witz und etwas weniger Biederkeit gewünscht hätte
In seinem streng komponierten Debüt »Die Einsiedler« erzählt Ronny Trocker die Geschichte vom Bauernsohn Albert und seinen Eltern, die in archaischen Verhältnissen auf einem Berg leben. Eine stark gefilmte, aber etwas zu blutleere Geschichte um Tradition, ­Moderne, ­Familie und Liebe
Gerüchte und Spekulationen sind in Na Hong-jins Genregrenzen sprengendem Polizeifilm »The Wailing« ebenso tödlich wie Messer und Pistolen. Die dritte Regiearbeit des südkoreanischen Filmemachers gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt. Lachen und Entsetzen liegen in diesem berauschenden und doch verstörenden Kinoalptraum ganz nah beieinander
Insgesamt kommt der Film von Janus Metz als reichlich konventionelles, unnötig auf Drama zugespitztes Biopic daher, das sich dem Titel zum Trotz mehr auf Björn Borg als auf seinen Kontrahenten konzentriert. Doch im – buchstäblichen – Finale, wenn sich »Borg/McEnroe« ganz auf ein einziges Tennismatch konzentriert, entwickelt der Film doch noch die besondere Spannung, die diese Sportart in ihren besten Momenten haben kann
»Pre-Crime« ist audiovisuell hochgetunte überwachungskritische Häppchenkost mit kulturkritischer Generalrhetorik, argumentativer Sprunghaftigkeit und (zu) wenigen interessanten Detailhinweisen zum späteren Nachgoogeln
Ein Dokumentarfilm über den iranischen Sänger und Dichter Shahin Najafi, den wirklich jeder sehen sollte. Hier hält jemand an seinen Werten von Freiheit und Unabhängigkeit fest, selbst wenn es ihn das Leben kosten sollte. Ungeschönt und direkt zeigt Till Schauder in »Wenn Gott schläft«, was passiert, wenn man mit der Fatwa leben muss
Als der Staatsschauspieler und Honecker-Imitator Wolf (Jörg Schüttauf) erfährt, dass Honecker einen Schießbefehl für die Montagsdemo in Leipzig gegeben hat, bei der auch seine Tochter Anne (Josefine Preuß) ist, schlüpft er ganz real in die Rolle des letzten DDR-Staatschefs. »Vorwärts immer!« ist eine amüsante Verwechslungskomödie mit reichlich Ostalgie und nur ein bisschen Klamauk
Eine psychedelische Reise durch neun Tage im Leben eines 17-Jährigen. Der Junge aus einer tristen Hochhaussiedlung verliebt sich gleich zwei Mal und wird von einem Indianer verfolgt. »Es war einmal Indianerland« ist ein schräger, bildgewaltiger Trip, der sich unbedingt lohnt
Düsteres Rachedrama aus Dänemark, in dem ein irakischstämmiger erfolgreicher Arzt dem Mörder seines in schlechte Kreise geratenen Bruders nachforscht. Mit betont cooler Ästhetik zeigt sich »Darkland« mehr an Genrevorbildern wie »Drive« als an Sozialschilderung interessiert
Im Juni 2013 herrscht in Ägypten der Ausnahmezustand. Millionen protestieren gegen das Mursi-Regime. Der Ägypter Mohamed Diab beschreibt das Chaos in seinem kunstvoll reduzierten Drama »Clash«, das sich ausschließlich im Inneren eines Gefangenentransporters abspielt
Mit listiger Ironie zeichnet Ruben Östlund in »The Square« das Porträt eines Museumskurators, dessen behagliches Leben aus den Fugen gerät, als ihm Brieftasche und Handy gestohlen werden. Der Gewinner der diesjährigen Goldenen Palme in Cannes stellt Fragen nach persönlicher und gesellschaftlicher Verantwortung, auf die er keine entlastenden Antworten findet
Regisseur Adrian Goiginger setzt seiner ehemals drogenabhängigen Mutter mit »Die Beste aller Welten« ein Denkmal. Für ihre Liebe zu ihrem Sohn und die Kraft, ihm trotz ihrer Sucht eine glückliche Kindheit geschenkt zu haben, und dafür, dass sie sich schließlich endgültig aus ihrer Abhängigkeit befreite
Privater Geheimdienst gegen Drogenclan unter weiblicher Herrschaft. »Kingsman: The Golden Circle« ist routiniertes Popcornkino, das in der digitalen Choreographie der Kampfszenen zu beeindrucken vermag. Und natürlich durch seine Starbesetzung
Wir können auch anders: Tom Lass hat in »Blind & Hässlich« eine hübsch versponnene Liebesgeschichte inszeniert und damit bewiesen, dass deutsche Komödien auch lustig sein können. Wenn sie nicht unter die Betten kriechen
Als ein hochbegabter Elfjähriger an einem Tumor stirbt, hinterlässt er seiner Mutter einen Plan, einen Kinderschänder mittels Selbstjustiz der Gerechtigkeit zuzuführen. »The Book of Henry« ist ein Film, der häufig seine Stimmung wechselt, was nur mit Verweis auf seine Fantasieelemente funktioniert
Sein Leben lang ist der New Yorker Firmenberater Norman (Richard Gere) der großen Chance zum sozialen Aufstieg hinterher­geeilt. Als er einen ehrgeizigen israelischen Politiker (Lior Ashkenazi) kennenlernt, glaubt er, endlich sein Glück gemacht zu haben. Joseph Cedar (»Footnote«) inszeniert ihre rätselhafte Verbindung als einen wehmütigen Schelmenroman über Illusionen und Wahrhaftigkeit
Zum dritten Mal nach »Requiem for a Dream« und »Black Swan« versetzt sich Darren Aronofsky in die verstörend subjektive Perspektive einer Frau. Doch was auf hypnotische Weise mit subtilen Irritationen beginnt, mündet am Ende in ein überspanntes Orgien-und Mysterientheater: »Mother!«

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