Patrick Seyboth

Filmkritiken von Patrick Seyboth

Nuri Bilge Ceylans neues Werk über einen Dorflehrer, der nicht nur wegen angeblich unangemessenem Verhalten gegenüber einer Schülerin in Konflikt mit seiner Umgebung gerät, ist eine vielschichtige Erzählung über Wahrnehmung und Wahrheit, so spannend wie poetisch inszeniert.
Im ländlichen Italien der 1980er sowie irgendwo zwischen Märchen und Realität angesiedelte Ballade von einem Grabräuber mit gebrochenem Herzen, doch einer besonderen Gabe zum Aufspüren etruskischer Gräber. Ohne Kitsch, stattdessen voller Eigensinn und schräger Poesie, erzählt Alice Rohrwacher eine vieldeutige Geschichte von Liebe und Loslassen.
Mit seiner Fortsetzung der Sci-Fi-Saga um den Wüstenplaneten Arrakis, das begehrte »Spice« und den Fürstensohn Paul, der nach dem Mord an seinem Vater auf Rache sinnt, beweist Denis Villeneuve abermals, dass Bildgewalt und mitreißende Action keineswegs Vielschichtigkeit und sogar schmerzhafte Ambivalenz ausschließen müssen. Kein perfektes, aber ein höchst beeindruckendes Werk.
Der chinesische Neo-Noir spielt Mitte der 1990er Jahre und entwickelt einen Kriminalfall in der Provinz zu einem labyrinthischen Spiel mit Genremotiven. Der Film fasziniert mit stilistischer Finesse, mysteriöser Poesie und absurdem Humor.
Überwiegend dokumentarisch, doch auch mit fiktionalen Elementen erkunden Susanne Weirich und Robert Bramkamp drei große Requisitenfunden, etwa beim Studio Babelsberg. Eine faszinierende Reise in die Welt der Dinge, die Spielfilmsets real wirken lassen, und ihre oftmals rätselhafte Geschichte.
Jim Caviezel als Special Agent, der alles gibt, um Kinder aus den Händen skrupelloser Menschenhändler zu befreien: Die angeblich wahre Geschichte kommt als glaubensbasierte Exploitation daher. Spannungsarm, voller Klischees und mehr an der Beweihräucherung seines Helden als an seinem ernsten Thema interessiert.
Margarethe von Trotta porträtiert die Dichterin Ingeborg Bachmann, ihre tragische Beziehung zu Max Frisch und die Suche nach Heilung. Mit mondänen Locations, stilvollen Bildern und guten Schauspieler*innen, allen voran Vicky Krieps in der Hauptrolle, bleibt der Film erzählerisch leider zu vage und zu mutlos, sowohl was die Liebesgeschichte, als auch was das Denken und das Werk Bachmanns angeht.
Ein Stück Literaturgeschichte als faszinierender Filmessay: Dominik Graf geht den Spuren jener Schriftsteller und Schriftstellerinnen nach, die in der Nazizeit nicht ins Exil gingen, und findet Geschichten voller Widersprüche und Grautöne.
In einer postapokalyptischen Welt harren drei Männer und eine Frau auf einem Außenposten mitten im Ozean aus. Visuell und schauspielerisch sehenswert, schmälern leider allzu viele Logiklöcher und die schwerfällige Erzählweise das Vergnügen an diesem B-Movie zwischen existenzialistischem Thriller und absurdem Theater.
Wes Anderson ist bei seinem neuen Werk in Hochform, was allerdings auch heißt, dass er vor lauter Meta-Ebenen und stilistischer Perfektion stellenweise am Rande des narrativen und ästhetischen Overkills operiert. Trotzdem glänzt sein starbesetztes Wüsten-Diorama aus den 1950ern samt Atomtests und Alienbesuch.

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