Patrick Seyboth

Filmkritiken von Patrick Seyboth

Sergej Loznitsas dritter Spielfilm »Die Sanfte« begleitet eine junge Frau bei ihren vergeblichen Versuchen, ihren Mann im Gefängnis zu besuchen. Kafkaeske Situationen und moralische Verkommenheit beherrschen dieses russische Gesellschaftspanorama, das sich leider allzu plakativ in der Ausweglosigkeit suhlt
Brizé verfilmt Maupassants Roman über eine Landadelige als Bewusstseinsstrom. Fragmentiert und achronologisch erzählt, porträtiert er dabei glaubwürdig Epoche und Menschen. »Ein Leben« ist eine sehr poetische, sehr bewegende Meditation über Zeit und Erinnerung
Fein austarierte Tragikomödie über das Altern – mit der strahlenden Agnes Jaoui in der Hauptrolle einer von Hitzewallungen, Jobverlust und Großmutterschaft gequälten Frau
Weniger im Stil eines historischen Dramas denn als poetische Reflexion auf Machtverlust und Realitätsverleugnung erzählt »Vor dem Frühling« von der Flucht des 1991 gestürzten georgischen Präsidenten Gamsachurdia
Für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert: »Loveless«. Andrey Zvyagintsevs Mischung aus Familiendrama und Gesellschaftsparabel erzählt bildstark und mit beunruhigender Ruhe von einem russischen Ehepaar, das nur noch Verachtung füreinander empfindet. Für den 12-jährigen Sohn wollen nach der Trennung beide nicht die Verantwortung übernehmen – doch plötzlich ist er verschwunden
Zehn Jahre nach »There Will Be Blood« haben Paul Thomas Anderson und Daniel Day-Lewis mit »Der seidene Faden« ein weiteres Meisterwerk geschaffen, das allerdings nicht ohne Vicky Krieps denkbar ist. Die 50er-Jahre-Romanze zwischen einem neurotisch-genialen Modeschöpfer und einer selbstbewussten Frau wird zum Beziehungsdrama und sogar zum Thriller. Eine vielschichtige Reflexion über Macht und Liebe – und eine seltene visuelle Pracht
Kühne Mischung aus tiefschwarzer Komödie und gefühlvollem Drama: Aus Wut über die ungesühnte Ermordung ihrer Tochter versetzt eine Mutter eine ganze Kleinstadt in Aufruhr. Dank Frances McDormand, Woody Harrelson und Sam Rockwell ist das großes Schauspielerkino, in seiner überreizten Dramaturgie aber auch angeberisch: »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«
Gary Oldman verwandelt sich mit frappierender Überzeugungskraft in Winston Churchill im Frühjahr 1940, als es darum geht, Hitler entschlossen Widerstand zu leisten. Leider ertränkt der mit wachsender Dramatik immer eindimensionaler werdende Film »Die dunkelste Stunde« alle interessanten Differenzierungen im Pathos eines Heldengesangs
Das Porträt zweier türkischer Frauen, deren Leben auf sehr unterschiedliche Weise von den patriarchalen Strukturen geprägt ist. »Clair Obscur« ist ein teilweise symbolüberfrachtetes, durch radikale Gesellschaftskritik und intensives Spiel der Darstellerinnen aber fesselndes Drama
Viel Wüste, viel Weite, viel Stille: Eine Frau Mitte 50 strandet in der Einöde, verliert ihre Tasche, findet dafür aber einen charmanten Freund und am Ende vielleicht sich selbst. »Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben« ist ein sehr kontemplatives, existentialistisches Roadmovie mit toller Hauptdarstellerin: Paulina García (»Gloria«)

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In den USA spricht man längst von einer »New Wave of Black Cinema«: Eine erstaunliche Zahl an aktuellen ­Filmen von und mit Schwarzen reflektiert auf ver­schiedenste Weise schwarze Themen und rassistische ­Politik, quer durch die Geschichte. Und ihr Erfolg be­feuert große – doch nicht ganz neue – Hoffnungen. Von Patrick Seyboth
Tipp
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