Gerhard Midding

Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Die Welt), Zeitschriften (epd Film, filmbulletin) sowie Radio-(rbb Kulturradio) und Fernsehsender (3sat). 

Filmkritiken von Gerhard Midding

Wenn Amerika ein Geschenk Gottes ist, findet die 19-jährige Tish, dann sollten seine Tage gezählt sein. Ihre ganz eigene Sicht der Dinge gibt den Ton von Barry Jenkins' Film vor: eine Mischung aus Romantik und Zorn, Poesie und Unerbittlichkeit. Jenkins hat James Baldwins Roman »Beale Street« in ein Meisterwerk atmosphärischen Erzählens übertragen
Ein Gangsterepos, das im Kern eine Liebesgeschichte und dessen Schale eine Parabel auf das Fieber des Wandels ist, das China ergriffen hat. Jia Zhangke spürt ihm in einer Suchbewegung nach, die von seiner Heimatprovinz Shanxi zu den Städten am Ufer des Jangtse führt, die der gesellschaftliche Fortschritt dem Untergang weiht: »Asche ist reines Weiß«
Auf der Grabstätte 35 des französischen Friedhofs von Casablanca liegen die sterblichen Überreste von Christine Caravaca, deren Existenz von den Eltern jahrzehntelang verschwiegen wurde. Ihr Bruder Éric versucht mit liebevoller Unerbittlichkeit, das Schweigen zu brechen. Mit seinem ersten Dokumentarfilm ist dem französischen Schauspieler eine Studie über Verdrängung und Befreiung gelungen, die an Tabus rührt, sich aber durch inszenatorische Diskretion auszeichnet
Seit Jahrzehnten verbirgt sich der Erfinder des Bossa Nova vor der Öffentlichkeit. Mit Hilfe von Weggefährten und Bewunderern will Georges Gachot den Künstler fassbar machen und folgt zugleich den Spuren des Reporters Marc Fischer, der vor Jahren dasselbe versuchte. Sehnsucht aus zweiter Hand: »Wo bist du, João Gilberto?«
Pawel Pawlikowski erzählt von einer großen Liebe, die von den politischen Verhältnissen gebändigt wird. Mit exzellenten Darstellern und in atmosphärisch bestechendem Schwarzweiß zeichnet »Cold War« ein intimes, romantisches Zeitbild der ersten zwei Nachkriegsjahrzehnte
Der altmodische U-Boot-Thriller straft seinen martialischen Titel »Hunter Killer« durchaus Lügen: Suspense bezieht das Tauziehen zwischen US-Marines und putschierenden russischen Militärs aus dem Ringen um Vertrauen und Deeskalation. Eine ungewöhnliche Rolle für Gerard Butler – und ein letzter, wehmütiger Auftritt des verstorbenen Michael Nyquist
In einem guten Film über die Mafia muss das Wort nie ausgesprochen werden: Aschenputtel in einem zwischen den Epochen schillernden Neapel, das zerrissen ist zwischen Drogenhandel und Fortschritt – als Animation: »Cinderella the Cat«
Die schwierige Rückkehr in die Heimat, das Aufbrechen familiärer Konflikte und eine Kindesentführung: Asgar Farhadis in Spanien angesiedelter psychologischer Thriller »Offenes Geheimnis« verknüpft Starkino mit der Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse
Eine gewissenhafte Familienrichterin (Emma Thompson) muss entscheiden, ob ein leukämiekranker 17-Jähriger gegen die religiöse Überzeugung seiner Eltern eine lebensrettende Bluttransfusion erhalten soll. Geschickt verwebt Richard Eyre in seiner Ian-McEwan-Verfilmung »Kindeswohl« den juristischen Konflikt mit der Studie einer Ehekrise: eine sehr britische Reflexion über Wahrheit, Würde und Empfindsamkeit
John Callahan avancierte während der Reagan-Ära zu einem ebenso gefragten wie anstößigen Cartoonisten. Gus Van Sant setzt dem Provokateur mit »Don't Worry, weglaufen geht nicht« kein Denkmal, sondern lässt ihn zum Protagonisten eines Bildungsromans um Sucht und Selbstfindung werden. In Hauptdarsteller Joaquin Phoenix hat er einen großartigen Komplizen; Jonah Hill und Jack Black glänzen in Nebenrollen