Gerhard Midding

Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Die Welt), Zeitschriften (epd Film, filmbulletin) sowie Radio-(rbb Kulturradio) und Fernsehsender (3sat). 

Filmkritiken von Gerhard Midding

In Christophe Honorés turbulent-melancholischer Komödie ziehen die temperamentvolle Hosenjägerin Chiara Mastroianni und ihr lethargischer Mann Benjamin Biolay die Bilanz ihrer Ehe und begegnen den Geistern ihrer Vergangenheit
In nicht allzu ferner Zukunft: Der Meeresspiegel ist bedrohlich gestiegen, Miami überflutet und die Bewohner können in Wassertanks ihre liebsten Erinnerungen wieder erleben. Sonst hat sich nicht viel geändert in Lisa Joys Kreuzung aus Science-Fiction und Film Noir: Ein Detektiv (Hugh Jackman) erliegt dem Sirenengesang einer Femme fatale (Rebecca Ferguson) und muss in einer korrupten Welt ihrem Geheimnis auf die Spur kommen
Eine Clocharde (Catherine Frot) hilft einem geflüchteten Achtjährigen, die Mutter zu finden. Claus Drexel inszeniert die Suche als heikle Gratwanderung zwischen Märchen und Sozialdrama: mal kitschig, mal spannend und oft einnehmend
Pietro Marcello verlegt die Handlung von Jack Londons Roman vom San Francisco um 1900 in das Neapel des 20. Jahrhunderts. Er zeichnet das Porträt eines fiebrigen Autodidakten, der ungeahnten Erfolg als Schriftsteller feiert und spät entdeckt, dass ihm seine Ideale abhandengekommen sind. Zugleich gelingt ihm eine faszinierend eigensinnige, historisch wie stilistisch schillernde Zeitchronik
Die Geschichte eines geglückten Coming-out und einer verheerenden Enttäuschung klingt wie ein idealer Stoff für François Ozon: eine luftige Sommerromanze im Gewand eines Film noir. Leider fehlt dem Film dessen sonst üblicher Elan für Manipulation und Täuschung
Auf einem fernen Planeten sind Kolonisten einem Phänomen namens »Noise« ausgesetzt, das sämtliche Gedanken hörbar werden lässt. Doug Liman mischt unterschiedliche Motive (Xenophobie, toxische Männlichkeit) zu einem dystopischen Cocktail, der in den Hauptrollen mit einem gewinnenden Gespann (Tom Holland, Daisy Ridley) aufwarten kann
Lee Daniels interpretiert die Biografie der 1959 im Alter von nur 44 Jahren verstorbenen Jazzsängerin neu: Er stellt sie als ein Opfer politischer Verfolgung dar. Sein Film schwelgt im dekorativen Glanz der Nachkriegszeit und dessen rassistischen Vorurteilen, während Hauptdarstellerin Andra Day der Titelrolle atemraubendes Charisma verleiht
Vier befreundete Lehrer brechen aus dem gewohnten Trott aus, indem sie ihre Trinkfestigkeit bei einem pseudowissenschaftlichen Experiment überprüfen. Mit einem Mal bekommt ihr Leben neuen Schwung. Zwischen Euphorie und motorischen Einschränkungen hält Thomas Vinterbergs dramatische Komödie ein mulmiges Gleichgewicht: Kann man den Rausch feiern, ohne ihn zu entschuldigen?
Eigentlich sollte aus der Ausgangsidee ein Krimi werden, aber dann schwenkten Drehbuch und Regie zur Komödie hinüber, dem dominanten Exportgut des französischen Kinos. Michel Blanc als mürrischer Arzt im Bereitschaftsdienst und der Newcomer Hakim Jemili als Fahrradkurier wachsen in einer Weihnachtsnacht zu einem munteren Gespann zusammen, das diverse Notfälle (auch in eigener Sache) behandelt
Ein amerikanischer Independentfilm ohne gesellschaftliche Brisanz oder aktuell gewichtiges Thema, und dennoch ein kleines, schüchternes Bravourstück. Andrew Ahn inszeniert die Begegnung einer alleinerziehenden Mutter und ihrem Sohn mit einem Korea-Veteranen (Brian Dennehy in einer seiner letzten großen Charakterrollen) als eine Ballade über Freundschaft, Familie und Vermächtnis: intelligent, diskret und wohltemperiert