Kritik zu The Gentlemen

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Ein Drogenbaron will sich in der Upperclass zur Ruhe setzen und beschwört dadurch einen Krieg in der Unterwelt herauf. Mit dieser starbesetzten Gangsterkomödie kehrt Guy Ritchie zu seinen Anfängen zurück

Bewertung: 4
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4 (Stimmen: 1)

Guy Ritchie hatte 1998 mit seinem kultigen Langfilmdebüt, der Gangsterkomödie »Bube, Dame, König, GrAS« der britischen Filmindustrie im Alleingang eine vielversprechende neue Fährte aufgezeigt: cool-brutale Kleinganovenhändel, inspiriert von Tarantino, jedoch ohne dessen Kunstanspruch und mit mehr Lust am reuelos übergeschnappten Kintopp. Seither hat sich Ritchie vom Independentfilmer zum tonangebenden Regisseur gemausert. Nach energiegeladenen Klassiker-Adaptionen wie »Sherlock Holmes« drehte er zuletzt eine Live-Version von Disneys »Aladdin«-Trickfilmmusical, die durch ihre fabelhafte Buntheit im Gedächtnis blieb. Mit seinem neuen Film besinnt er sich auf sein Lieblingsgenre, obwohl er in den drei bisherigen, auf seinen Durchbruch mit »Bube, Dame, König, GrAS« folgenden Gangster-Charaden nicht mehr an den durchschlagenden Erfolg seines Erstlings anknüpfen konnte. 

Im Zentrum steht nun Mickey (Matthew McConaughey), ein zum führenden Londoner Drogenbaron aufgestiegener amerikanischer Emporkömmling, der aussteigen will und dadurch die Geier anlockt. Mickey hat Gefallen am Lebensstil der britischen Upperclass gefunden und plant den Verkauf seines Marihuana-Imperiums, um sich mit Ehefrau Ros (Michelle Dockery) fortan den schönen Dingen des Lebens zu widmen. Sein Geschäft, das er einst als Student auf britischen Eliteunis eingefädelt hatte, blüht vor allem dank seiner Kontakte zum verarmten Landadel. Aus logistischer Sicht ist das Versteck der zum Hanfanbau benötigten Flächen zwar völlig unrealistisch – entpuppt sich aber als origineller Twist, der es Ritchie ermöglicht, seinen gewohnten Spielraum, die Welt der Cockney sprechenden Ganoven, zu erweitern. So springt die Handlung zwischen oben und unten, feudalen Landgütern, verkommenen Sozialwohnungen, schicken Wohnungen und, buchstäblich, dem ländlichen Untergrund, und kann durchaus auch als giftige Satire auf das britische Klassensystem durchgehen.

Mit seiner verschachtelten Inszenierung, die auf größtmögliche, für den Zuschauer gerade noch zu durchschauende Entropie an Charakteren und Motiven abzielt, bleibt Ritchie dagegen seinem Rezept treu. Nicht nur die Zeitachse wird kontinuierlich durch Rückblenden zerhackt. Im rasanten Perspektivenwechsel lässt er gute zwei Dutzend Personen Revue passieren und enthüllt dabei nach dem Bauprinzip einer russischen Puppe immer neue Hinterhalte. Beim Zusammenrasseln von chinesischer und russischer Mafia, einem rachsüchtigen Großverleger, Junkies und einem dubiosen Milliardär wird auch auf der verbalen Ebene aggressiv ausgeteilt. Befremdlich ist besonders die Betonung des Jüdischseins eines Geschäftspartners, wobei sogar das Shakespearsche »Shylock«-Zitat zum Einsatz kommt.

Jedoch sollte man Ritchie, der sich in seinem Gangsterfilm »Revolver« von der Kabbala inspirieren ließ, weniger Antisemitismus unterstellen als den Antrieb, PC-Grenzen auszutesten und mit permanenten Brüchen und Schockeffekten die Aufmerksamkeit zu provozieren. Im Ritchie-Universum muss es ständig knallen – und das Prinzip des manischen »Mehr ist mehr« funktioniert auch diesmal, denn unterhaltsam ist dieser Überschwang an Pointen und Wendungen allemal. Wie gehabt ist es aber nicht die überschlaue Story, bei der die Schrauben im letzten Drittel zu fest angezogen werden, die am meisten amüsiert, sondern die Nummernrevue von Stars, die konsequent gegen den Strich besetzt sind. Am uninteressantesten agiert noch Matthew McConaughey als Möchtegern-Gentlemen mit Killerinstinkt, der, weil er Gras statt Heroin vertickt, letztlich den Guten zugeordnet wird. Ungehinderter austoben dürfen sich andere britische Promis: etwa Hugh Grant als aasiger Detektiv, der zeitweise die Funktion eines Erzählers übernimmt, und »Downton Abbey«-Star Michelle Dockery als dominahafte Ros. Als grandioser Joker in diesem Verwirrspiel stiehlt aber besonders Colin Farrell als proletarischer Boxtrainer im karierten Trainingsanzug allen Kollegen die Show. Der Spaß, mit dem Ritchie die inneren Rampensäue dieser Stars von der Leine lässt, ist spürbar – und ansteckend.

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