Kritik zu Dumb Money – Schnelles Geld

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Anfang 2021 brachten in den USA Tausende Kleinanleger die Gesetze der Wall Street spektakulär ins ­Wanken. Nun hat Craig Gillespie (»I, Tonya«) die GameStop-Story verfilmt

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Der Titel von Craig Gillespies neuem Film bezieht sich auf eine verächtliche Bezeichnung milliardenschwerer Hedgefonds-Manager für private Anleger: Geld des dummen kleinen Mannes, der im großen Börsengeschäft hoffnungslos verloren ist. So zumindest war die Haltung bis zum Januar 2021. Zu diesem Zeitpunkt nämlich gelang es dem kleinen Provinz-Analysten Keith Gill über seinen populären Videokanal auf der Social-News-Website Reddit, die wertlose Aktie der Handelskette GameStop dermaßen zu pushen, dass Tausende Kleinanleger ebenfalls deren Aktien kauften – und damit den Wert immer weiter nach oben trieben. Es entwickelte sich ein beispielloser Goldrausch, in dessen Verlauf der Aktienwert von ursprünglich knapp 20 Dollar auf bis zu 480 Dollar anstieg. Zahlreiche Kleinanleger wurden reich, allen voran Gill selbst, während mächtige Hedgefonds, die mit viel Geld auf einen Verfall der Aktie gesetzt hatten, in massive Schwierigkeiten gerieten. Die Geschichte machte weltweit Schlagzeilen und beschäftigte am Ende sogar Justiz und Politik.

Das klingt nach einigermaßen trockenem Stoff, dessen Tragweite man nur als Börsenfachmann wirklich einschätzen kann. Doch das Drehbuch von Lauren Schuker Blum und Rebecca Angelo macht aus der Geschichte keinen Börsianer-Crashkurs im Stil von »The Big Short«, sondern ein ungemein kurzweiliges Schelmenstück. Als Vorlage diente ein Sachbuch von Ben Mezrich, der auch die Buchvorlage zu David Finchers »The Social Network« geschrieben hat.

Wenngleich es beim Zuschauen hilft, zumindest den Mechanismus von »Leerverkäufen« zu kennen, spielt Börsenfachwissen in der GameStop-Story praktisch keine Rolle – genau das macht den Aberwitz des Falls und den Reiz des Films aus. Die Hauptfigur Keith Gill, Reddit-Name »Roaring Kitty« (brüllendes Kätzchen), wird vom wunderbaren Paul Dano als leiser Nerd gespielt, der vor allem seinem Instinkt folgt und seinen Erfolg zunächst kaum glauben kann. Ein Underdog par excellence. Die zahllosen Kleininvestoren wiederum erkennen in seinem Vorbild eine waghalsige Chance. Der Film zelebriert also keine marktanalytischen Geniestreiche, sondern die Lust an der Chuzpe, die Freude am Triumph des »kleinen Mannes« und, ja, die Schadenfreude über den tiefen Fall arroganter Big Player, deren Reichtum sich aus dem Ruin anderer speist. 

Neben Gill und seiner Familie gilt die erzählerische Aufmerksamkeit denn auch einer Reihe dieser Kleinanleger, darunter zwei mittellose Studentinnen und eine verschuldete Krankenschwester, allesamt fabelhaft besetzt wie überhaupt jede noch so kleine Rolle dieses Films. Die Kunst von Drehbuch und Regie besteht darin, keine der Figuren zu einem Funktionsträger zu degradieren, jede von ihnen bekommt eine pointiert skizzierte Geschichte. Der meisterhafte Schnitt von Kirk Baxter (»The Social Network«) sorgt dafür, dass man zwischen den diversen Storylines bei aller Rasanz nie den Überblick verliert, alles wirkt wie aus einem Guss.

Natürlich steckt in Keith Gills unerschütterlichem Glauben an »seine« Aktie auch eine David-gegen-Goliath-Geschichte, und einen Teil seiner erstaunlichen Dramatik bezieht der Film aus den erfolglosen Versuchen der Hedgefonds-Spekulanten, die Reichweite dieses »brüllenden Kätzchens« zu unterbinden und die Dynamik der Aktie zu stoppen. 

Dass die Sache etwas Bahnbrechendes hatte, würdigt Gillespie mit humorvollen Anspielungen auf historische Umstürze. Trotzdem ist er so klug, die Geschichte nicht ernsthaft zu einer »Revolution« gegen den Börsenkapitalismus zu stilisieren, denn es handelte sich nicht um eine konzertierte Aktion, sondern um das glückliche Zusammenwirken kleiner Kräfte – und nicht aus politischer Motivation, sondern um Geld zu machen. Wenn man so will, ist der Film das Gegenstück zu »The Wolf of Wall Street«, in dem »dumme« Kleinanleger von skrupellosen Brokern um ihr Vermögen gebracht wurden. In der GameStop-Story schlägt das »Dumb Money« zurück.

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